Der Hüter des Schwertes
nach so vielen Jahren wollte er sie jemandem erzählen. Es war eigenartig, es war beinahe ein innerer Zwang.
»Ich war Wachtmeister bei der Miliz. Kleines Dorf. Dann bekamen meine Frau und meine Mädchen Fieber. Die nächste Apotheke war einen Tagesritt entfernt, sie brauchten aber sofort Hilfe. Also rief ich den Priester des Dorfes. Der Bastard meinte, er würde nichts unternehmen, bevor ich ihn nicht in Gold bezahlt habe. Er wusste, dass ich keins hatte. Als Wachtmeister bei der Miliz verdient man nicht viel. Natürlich wusste ich, an wem ich mich vergreifen musste, um an etwas Gold zu kommen. Also nahm ich mein Schwert und zog los, um mir etwas zu besorgen. Der Priester sagte, es sei nicht genug, also habe ich noch mehr gestohlen. Der Scheißkerl wollte immer noch nicht helfen, aber als ich mein Schwert schon zwischen seinen Beinen hatte, um ihm seine Manneskraft zu nehmen, bekam ich sehr schnell die Erklärung dafür. Anscheinend war er kein guter Priester, deshalb erhörte Aroaril seine Gebete nicht. Doch das blieb verborgen; er verlangte stets Gold für Heilungen, weil er wusste, dass kein Mensch im Dorf Gold besaß. Also hatte er auch nie jemanden heilen müssen. Da habe ich mir das Gold zurückgeholt und wollte einen richtigen Priester suchen.« Conal hielt inne und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Nur dass meine Frau und meine Töchter tot waren, als ich nach Hause kam. Meine beiden Milizsoldaten fanden mich; ich saß bei den Leichen und heulte. Ich dachte, sie wären gekommen, um mir zu helfen, aber der Priester hatte behauptet, ich hätte ihn überfallen. Sie waren gekommen, um mich festzunehmen. Ich blickte von den Leichen meiner Töchter auf und sah, wie der selbstgefällige Bastard mich auslachte. Also stand ich auf, das Schwert in der Hand, und binnen Sekunden gab es drei weitere Leichen. Innerhalb eines Augenblicks war ich von einem angesehenen Milizsoldaten zu einem Mörder und Dieb geworden. Es gab kein Zurück mehr. Ich bin fortgegangen und habe die nächsten zwanzig Jahre damit verbracht, mich zu betrinken, Leute zu schlagen und mir zu ergaunern, was ich zum Überleben brauchte.«
»Warum hast du nicht aufgehört?«, fragte Martil, ohne großartig nachzudenken.
»Weil es mir egal war, ob ich lebte oder starb.«
Das fand bei Martil Widerhall, und er blickte den alten Räuber erneut an.
»Warum bist du dann hier? Du hättest uns in Thest ziehen lassen oder einfach an der Theke sitzen bleiben können, als die Soldaten mich gefangen nehmen wollten.«
Conal zuckte mit den Achseln. »Wenn ich das nur wüsste. Ich hatte so ein Gefühl, dass ich euch begleiten sollte, dich und das Mädchen. Es war auch nicht so, als hätte ich viel gehabt, für das es sich zu bleiben gelohnt hätte.«
»Ist das alles?«, fragte Martil enttäuscht.
»Und als ich dann mitgekommen bin, dachte ich, dass dies vielleicht eine Gelegenheit ist, einiges wiedergutzumachen, das ich in der Vergangenheit getan habe«, sagte Conal sanft.
Martil schauderte. »Für manches gibt es keine Wiedergutmachung«, sagte er, größtenteils zu sich selbst.
»Stimmt, aber das heißt nicht, dass man es nicht versuchen sollte.« Conal hustete schuldbewusst. Er fühlte sich, als sei ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Aber das war kein Grund, den Mann zu umarmen oder mit den Elfen zu tanzen. »Gibt es hier irgendetwas zu trinken?«
Rasch waren die Schränke durchsucht, und es stellte sich heraus, dass der Bedarf an Grundnahrungsmitteln gedeckt war, es jedoch keinen Tropfen Alkohol gab.
»Verdammte Zauberer«, schnaubte Conal. »Ich werde für die erste Hälfte der Nacht Wache halten und dich wecken, wenn du an der Reihe bist.«
Martil fühlte sich, als hätte er seine Augen gerade erst geschlossen, als Conal ihn weckte. Er gab Conal eine Decke und schob sich einen Stuhl ans Fenster, von wo aus er den Pfad im Auge hatte. Er bezweifelte, dass die Milizsoldaten sie finden würden. Selbst die besten Spurensucher würden die Fährte verlieren, nach dem, was der Zauberer vollbracht hatte. Dennoch hatte er nicht vor, sich zu sicher zu fühlen. Die Laternen waren gelöscht; das bedeutete, dass seine Nachtsicht nicht vom Licht aus der Hütte gestört wurde. Sein Blick streifte über die Lichtung. Er wusste, dass ihm keine Bewegung entgehen würde, also blickte er nach draußen und dachte nach.
Es war ein Glücksfall, dass sie den Zauberer getroffen hatten. Er brauchte Antworten, er brauchte dringend Antworten. Aber er hatte Angst, dass
Weitere Kostenlose Bücher