Der Hüter des Schwertes
bedeutete nicht das Ende seiner Jagd auf Martil. Cezar hatte bisher jeden getötet, auf den er angesetzt worden war, und er hatte nicht vor, seine Quote zu verschlechtern.
Man hätte erahnen können, dass Karia vor allen anderen aufwachte, kurz nachdem die Sonne die ersten zaghaften Strahlen auf den westlichen Rand der Lichtung geworfen hatte. Wer auch immer diese Hütte gebaut hatte, hatte gewusst, was er tat, dachte Martil. Der Pfad hierher schlängelte sich leicht bergauf; gerade genug, dass die Hütte von der Straße aus nicht gesehen werden konnte. Die großen Bäume, von denen der Unterschlupf umgeben wurde, sorgten für Schutz, standen jedoch nicht so dicht beieinander, dass irgendjemand sich unbemerkt anschleichen konnte.
Solange der Wind keinen Rauch Richtung Straße blies, war es unmöglich, sie hier zu entdecken. Aber Martil wollte es trotz günstigen Windes nicht riskieren, ein Feuer zu machen. Davon war die hungrige Karia ganz und gar nicht begeistert.
»Ich will aber Röstbrot zum Frühstück!«, sagte sie.
»Es wird kein Feuer gemacht. Wie wäre es stattdessen mit ein paar getrockneten Früchten?«
»Nein, ich will Röstbrot!«
»Wenn der Zauberer aufwacht, werden wir bestimmt ein Feuer machen«, sagte er in der Hoffnung, dass Karia mit diesem Kompromiss einverstanden wäre.
»Ich mache ihn wach«, erbot Karia sich und lief auf das Bett des Magiers zu; Martil hielt sie jedoch zurück.
Wie schon so oft brodelte es in ihm, doch er atmete einfach tief durch. »Ich hätte auch gern Röstbrot, aber wir müssen uns noch etwas gedulden. Verstehst du? Wenn wir ein Feuer machen, finden die Milizsoldaten uns.«
Diese Sprache verstand Karia offenbar. »In Ordnung. Also dürfen wir erst ein Feuer machen, wenn der Zauberer aufwacht?«
»Kurz danach, ja«, versprach Martil.
Sie aßen einige getrocknete Früchte, tranken ein bisschen Wasser und spielten zuerst mit dem Kreisel und etwas später mit den Puppen. Als Conal aufwachte, legte Martil rasch die Puppen beiseite und tat so, als würde er aus dem Fenster schauen.
Conal gesellte sich zu ihnen und rieb sich die müden Augen. »Morgen«, gähnte er. »Glaub nicht, dass wir uns heute noch um die Miliz sorgen müssen. Sie werden denken, dass wir aus ihrem Zuständigkeitsbereich entkommen sind. Sie werden Beschreibungen von uns an die umliegenden Gebiete schicken.«
Martil musterte ihn nachdenklich. Konnte der alte Räuber wieder zu dem Menschen werden, der er einst gewesen war?
Conal bemerkte, wie Martil ihn ansah, und fühlte sich in eigenartiger Weise unwohl. Er hatte seine Geschichte nie zuvor jemandem erzählt und wusste nicht, warum er sie nun erzählt hatte. Er war sich der Tatsache schmerzlich bewusst, dass es ihm in Thest egal gewesen war, was die Leute von ihm dachten. Das hatte ihn am Leben gehalten, wenn Danir wieder einmal einen Wutanfall bekam, und war auch der Grund für seinen Spitznamen Conal der Mutlose gewesen.
Martil erkannte, dass Conal sich nicht wohl fühlte.
»Conal, was gestern Abend betrifft …«
»Ja, Hauptmann?« Conal wusste nicht, warum er diese Anrede verwendete. Es schien ihm selbstverständlich, und Martil nahm es als angemessen hin.
»Ich weiß es zu schätzen, dass du mir deine Geschichte erzählt hast. Soweit ich es beurteilen kann, verdient jeder eine zweite Chance. Ich bin der lebende Beweis dafür. Was für Verbrechen du auch begangen haben magst, ich habe Schlimmeres getan. Aber die Vergangenheit ist eben vergangen , sie liegt hinter uns. Wir können nur Tag für Tag unser Bestes geben. Du brauchst kein Straßenräuber mehr zu sein. Du kannst wieder der Mann sein, der du einst warst.« Martil wusste, dass die Worte Conal helfen konnten – er wünschte nur, sie würden auch auf ihn zutreffen. Stattdessen hinterließen sie nur einen schalen Nachgeschmack in seinem Mund. Er hatte zu viele ähnliche Reden gehalten, bevor er in Schlachten gezogen war. Er hatte den Männern gesagt, was sie hören wollten, statt ihnen die Wahrheit zu sagen – um ihnen Trost zu schenken.
Conal hustete kurz, um seine Verlegenheit zu überspielen. Zeit , die ernste Stimmung zu lockern, dachte er.
»Das werde ich, Hauptmann. Wann immer du eine helfende Hand brauchst, kannst du auf mich zählen.«
Karia fand das zum Totlachen; Martil nickte ihm zu und lächelte. Karia war so schlau, ein Thema nicht weiter zu vertiefen, wenn zwei Erwachsene schon zu viel gesagt hatten.
Conal musste wohl das gleiche Gefühl gehabt haben. »Hast du
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