Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
hätte sie am liebsten ein Gesicht gezogen wie auf jenem Foto, als sie vor dem Blautopf steht, neben dem Steinbild der Schönen Lau, und in die Kamera feixt. Er wollte unbedingt, dass das ins Album kommt.
Heute Morgen sind der Anwältin Cosima Autenrieth zu Blaubeuren nur noch der Rinderschmorbraten und Busladungen von Touristen eingefallen. Kein Nerv für Papas Rätselspiele. Diese Aufzeichnungen haben doch Sie! Juristen, wortblind vor lauter Begrifflichkeit…
Die Schöne Lau? Nein. Constantin Autenrieth schlüpft nicht in die Rolle einer Nymphe. ’s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura … ? Seit jeder Werbetexter seine Talentlosigkeit am Dialekt austoben kann, wird ein Schwabe mit dem Schwäbischen zurückhaltend sein, jedenfalls in der Schriftform.
Der Blautopf? Zieht mächtig Mythen an. Die Helfensteiner Grafen entsorgten dort das Ding, das unsichtbar macht. Und bis ins 17. Jahrhundert hinein haben die Blaubeurer, wenn Hochwasser drohte, die Wassergeister damit beschwichtigt, dass sie ihnen vergoldete Becher in den Blautopf warfen. Schöne Christen.
Er nimmt sein Handy, zögert, tippt dann doch entschlossen ein SMS ein und sendet sie ab, und während er auf das Display schaut, denkt er, es ist ein Fehler, ich ruf die Simse zurück und lösche sie …
Auf dem Display erscheint die Mitteilung: »Nachricht gesendet«. Außerdem schlägt das Hoteltelefon an. Er nimmt den Hörer ab.
»Könnten Sie in mein Zimmer kommen? Aber bitte ohne Hund. Ich möchte barfuß gehen können, ohne in Hundehaare zu treten.« Aus dem Hörer klingt Cosimas Stimme heller, fast schrill, als verstärke das Telefon ihre Anspannung.
Er trinkt das Mineralwasser aus. »Tut mir Leid«, sagt er zu Felix. »Mach schön Platz.« Das ist ein blöder Befehl, denn Felix liegt bereits. Nun schaut er zu Berndorf empor, wie es nur ein Hund tun kann, den man mit fadenscheinigen Aufträgen allein in einem fremden Hotelzimmer zurücklässt.
Berndorf strafft seine Schultern und steckt das halb herausgerutschte Hemd wieder in die Hose. Gib dir keine Mühe, denkt er dann. Die Dame will nicht wegen dir barfuß gehen. Und wenn doch?
Dann wäre es ein besonders dummer Bauernfängertrick.
Er geht über den Flur und klopft und tritt ein.
Auch in diesem Zimmer gibt es ein rundes Mahagoni-Tischchen und Sesselchen. In eines davon hat sich Meunier gezwängt.
Cosima liegt mit übereinander geschlagenen Beinen auf dem Bett und raucht.
»Nett«, sagt Berndorf und setzt sich auf das zweite Sesselchen. »Wo haben Sie Ihren Frankenstein gelassen?«
»Ihre Späßchen können Sie sich abschminken«, schlägt Meunier vor. »Vielleicht ist dann ein Gespräch möglich.«
»Wer spricht für wen?«, fragt Berndorf.
»Jeder für sich«, antwortet Meunier. »Leider ist das in Ihrem Fall nicht so ganz klar. Es war der Vorschlag unserer trauernden Hinterbliebenen…« – er deutet auf das Bett – »Sie mit ins Boot zu nehmen. Das hat unsere Zustimmung gefunden, und selbstverständlich müssen Sie auch angemessen honoriert werden, Sie haben ja auch Einbußen gehabt.« Über sein Gesicht gleitet ein Lächeln. »Das Angebot sind zehn Prozent von der Gesamtsumme, nicht wahr, Cosi-Maus?«
Cosima Autenrieth bläst eine Rauchwolke zur Decke und zuckt mit den Achseln.
»Nu, ein faires Angebot«, fährt Meunier fort, »wobei Sie aber beachten wollen, dass unsere Forderungen vorrangig bedient werden müssen. Wir haben Constantin Autenrieth seinerzeit einen sehr erheblichen Betrag anvertraut. Leider ist dieses Geld nicht vereinbarungsgemäß weitergeleitet worden, um im Beisein einer trauernden Hinterbliebenen das hässliche Wort Unterschlagung zu vermeiden…«
»Das war Bestechungsgeld, um den Export der Russen-Panzer genehmigen zu lassen?«
»Ach Gott, reden Sie doch nicht zu mir wie ein Leitartikler des ›Neuen Deutschland‹«, fährt ihn Meunier an. »Diese Panzer hatte noch die Regierung Maizière übernehmen müssen, übrigens war diese Regierung nicht unsere Idee gewesen, auch nicht, dass es die letzten Tage der DDR sein sollten, gewiss nicht… Jedenfalls standen im Sommer 1990 die nagelneuen Panzer auf einem Truppenübungsplatz in der Uckermark und waren uns so notwendig wie ein Strohhalm im Arsch – Entschuldigung, Cosi-Maus. Dabei war es erstklassige Ware, westlichen Erzeugnissen deutlich überlegen, wie Ihnen jeder Fachmann bestätigen wird … Also haben wir …« »Wer ist wir?«, fragt Berndorf dazwischen.
»Ein kleiner Kreis von Freunden,
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