Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
Kindskopf, was denken Sie denn!« Sie blickt ihm in die Augen. »Im Übrigen wissen wir beide ganz genau, wie die Dinge stehen. Sie waren in der Jagdhütte. Sie haben sein Gewehr gefunden. Sie wussten, dass er dort ums Leben gekommen ist. Ich weiß nicht, warum Sie das gewusst haben. Aber Sie wussten es. Nur kann das nicht alles sein. Sie müssen seine Aufzeichnungen gefunden haben. Das ist die einzige Erklärung für Ihr Interesse an uns.»
»Das ist nicht ganz logisch«, wendet Berndorf ein. »Wenn ich seine Aufzeichnungen gefunden hätte, wäre ich wohl kaum zu Ihrer Mutter gefahren.«
»Natürlich hat mein Vater Sicherungen eingebaut. Daten, Zahlen, was weiß ich. Irgendetwas, das Sie brauchen werden, um den Schlüssel zu finden. Sie werden mich schon noch danach fragen. Vielleicht mussten Sie auch erst herausfinden, wie viel das sein könnte, was da…« – sie sucht nach einem Wort – »… was da gebunkert ist.«
»Wie Sie meinen.« Duckdalben schieben sich am Fenster vorbei, die Fähre läuft in den Staader Hafen ein. Berndorf hakt Felix’ Leine los und steht auf. Cosima folgt ihm, gemeinsam gehen sie über die Treppe zum Parkdeck und zu dem Peugeot-Coupé, dem man bei Tageslicht ansieht, dass es nicht das neueste Baujahr ist.
»Diese Frau…«, fragt sie, als sie sich angurtet, »ist sie hier auf dem Schiff?«
Am Morgen, als sie ihn abholen wollte, hatte er sie mit Barbara bekannt gemacht. Die beiden Frauen saßen in seinem Wohnzimmer und lächelten sich an. Aber bei beiden, da ist sich Berndorf ganz sicher, waren die Krallen ausgefahren. »Sie wird eine der nächsten Fähren nehmen«, antwortet er.
»Ist sie Ihre Lebensgefährtin?«
»Ich weiß nicht, ob man es so nennen kann«, antwortet Berndorf. »Wir kennen uns seit über dreißig Jahren, und fast ebenso lange sehen wir uns meist nur in den Ferien, oder an einem Wochenende.«
»Ein Fall von Entscheidungsschwäche, wie?«
»Und das Mobiliar in der Jagdhütte«, fragt Kuttler, »hat er Ihnen das geschenkt? Oder haben Sie einen Abstand bezahlt?« »Wir haben ausgemacht, dass er immer wieder kommen kann«, antwortet Neuböckh.
Er spricht widerwillig und näselnd. Seine Wange ist verfärbt, die Nase unter einer Plastikschiene verborgen. Das Büro von Tamar und Kuttler liegt nach Südosten, und weil es noch Vormittag ist, fällt das Licht Neuböckh ins Gesicht, wenn er sich an Kuttler wendet. Aber er vermeidet es, Tamar anzusehen, als sei es für ihn besonders unerträglich, von einer Frau vernommen zu werden.
»Also Sie sollten nur die Hütte für ihn in Schuss halten?«, hakt Kuttler nach. »Autenrieth wollte die Jagd gar nicht aufgeben, Sie waren nur der Strohmann, der Platzhalter…«
»Hören Sie«, sagt Neuböckh müde, »der Autenrieth wollte nach Argentinien, das hat sich ganz plötzlich ergeben, von heut auf morgen. Und er hat auch nicht gewusst, ob das auf Dauer sein würde oder nur für ein paar Jahre. Aber es war klar, dass er die Jagd nicht behalten kann. Deshalb hab ich sie übernommen, zuerst mal so lange, bis die Pacht neu vergeben werden sollte. Das wusste ich ja nicht, ob die mich dann nehmen. Wenn ein Einheimischer die Jagd haben will, gibt es immer welche, die sich quer legen, grad’ drum oder weil man einmal Händel gehabt hat. Da kommt ja einiges zusammen, wenn man nebeneinander im Dorf lebt.«
»Aber Sie – Sie haben die Jagd dann bekommen?«
»Hab ich«, antwortet Neuböckh mürrisch. »Und für den Fall hatten wir vereinbart, dass die Hütte und was er dort hineingesteckt hat und auch das Inventar abgegolten sind, weil ich ja für ihn die restliche Pacht bezahlt hab.«
»Haben Sie eine Übergabe gemacht?«, will Tamar wissen.
»Wozu?«, fragt Neuböckh zurück. Er hält den Kopf gesenkt, als könne er so besser über die Plastikschiene hinwegsehen. »Über das Revier wusste ich besser Bescheid als er. Wenn ich es noch recht weiß, hat er mich im September 1991 angerufen und die Sache mit mir ausgemacht. Am Wochenende danach wollte er kommen. Bloß ging damals der Krawall in Jugoslawien los, und die Serben haben einen von unseren Transporten angehalten, mit fadenscheinigen Lügen. Ich bin runter, um den Lastzug und den Fahrer loszueisen… Das tut auch nicht jeder, da gibt es welche, die lassen ihre Fahrer irgendwo im Knast hocken, bis sie schwarz sind … Den Fahrer hab ich freigekriegt, den Lastzug nicht. Und wie ich zurückgekommen bin, spät abends, lag ein Umschlag mit den Schlüsseln für die
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