Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
Hütte bei mir im Briefkasten. Das war alles.«
»Als Sie dann erstmals danach in der Hütte waren – ist Ihnen da etwas aufgefallen?«, fragt Kuttler. »Irgendetwas, das anders war, als Sie es erwartet hatten?«
Neuböckh hält den Kopf gesenkt. »Weiß nicht«, sagt er schließlich. »Es war alles aufgeräumt. Vielleicht ist es das, wo ich … Nein, gewundert hab ich mich nicht. Es war aufgeräumt und sauber gemacht, also richtig mit Schrubber, damit hatte Constantin es sonst nicht so.«
»Waren persönliche Gegenstände von ihm zurückgeblieben?« Neuböckh zuckt die Achseln. »Weiß nicht, was das hätte sein können. Die Bücher vielleicht. Ich weiß nicht, warum er sie dagelassen hat. Aber es hat mich nicht gestört.«
»Aber da war doch noch«, fragt Tamar mit milder Stimme, »dieses Gewehr. Hat Sie das nicht gewundert, dass er das zurückgelassen hat?«
»Ach ja«, sagt Neuböckh. »Das wundert mich jetzt nicht, dass Sie das wundert. Haben Sie schon mal versucht, in Echterdingen mit einem Gewehr in den Flieger zu klettern?« Er betrachtet Tamar, als habe er mit ihr die ganze Inkompetenz des Polizeiapparats überführt. »Etwas war seltsam. Es war alles sauber gemacht. Nur dieses Gewehr nicht. Irgendwer hatte damit geschossen, aber danach hat er es nicht gereinigt. Er hat es abgewischt, wie eine Nippesfigur. Sonst nichts.«
Er blickt von Tamar zu Kuttler. »Mit Waffen werden Sie sich ja auskennen. Wenn so ein Gewehr nicht richtig gereinigt wird, dann fängt es null Komma nix zu rosten an. Und das ist ja ein teures Ding gewesen, das können Sie mir glauben.«
Das Hotel liegt in einer Seitenstraße des Limmatquais und hat angenehm geheizte Zimmer, deren mit blütenweißen Stores verhängte Fenster auf einen Innenhof hinausgehen. Das Bett mit seiner hart gepolsterten Matratze tut Berndorfs Rücken gut. Fast drei Stunden hat er im Auto gesessen.
Felix hat sich nach einigem Suchen unter ein kleines rundes Tischchen geschoben, so dass die Kristallschale darauf fast ins Rutschen gekommen wäre, samt den appetitlich darin arrangierten Schokolade-Täfelchen. Murrend kratzt er sich mit einer Hinterpfote am Maulkorb, ohne den ihn Berndorf freilich nicht hätte ins Hotel bringen können. Auch so war das Stirnrunzeln der Saaltochter in der Reception nicht zu übersehen. Ob es dem Herrn etwas ausmache, hatte sie gefragt, das Frühstück im Zimmer zu sich zu nehmen? Der Hund, verstehen Sie, ist ein wenig groß, die anderen Gäste …
Falls man die Dame an einer Schweizer Hotelreception Saaltochter nennen darf. Berndorf holt sein Handy heraus und schaltet es ein. Sirrend signalisiert das Gerät eine SMS-Nachricht:
sind im parkhaus was nun?
Gute Frage, denkt Berndorf.
Warten, simst er zurück, und gibt den Namen des Hotels durch und die Straße, in der es liegt.
Kurz vor Zürich hatte ihn Cosima Autenrieth mit der Mitteilung überrascht, dass sie zwei Hotelzimmer reserviert habe … Er hatte weder protestiert noch nachgefragt.
»Wir werden sicher noch den morgigen Tag zur Abwicklung brauchen«, hatte sie hinzugefügt.
»Morgen ist Samstag«, hatte er geantwortet.
»Das macht nichts. Das war auch ein Samstag, als wir diese Etuis entdeckt haben. Ich bin ganz sicher, dass er davor einen Termin hatte. Damals dachte ich mir nichts dabei. Heute denke ich, dass es ein Termin bei seiner Bank war.«
Berndorf hatte sie nur kurz von der Seite angesehen und nichts weiter gesagt. Sie hatte ihn noch gefragt, ob er eine Pistole bei sich habe. Irgendwie schien sie enttäuscht, als er antwortete, dass man damit nur die Kantonspolizei anlocken oder sonst ein Unheil anrichten könne.
Er steht auf und holt sich ein Mineralwasser aus der Minibar. Hunger hat er auch, aber einstweilen gibt es nur eine halbe Mütze Trockenfutter für den Hund.
Worauf hat er sich da eingelassen? Aus irgendeinem Grund glaubt Cosima, dass er Autenrieths Aufzeichnungen kennt. Vielleicht ist das sogar so.
Immerhin weiß er, was Autenrieth gezeichnet hat: die Entwürfe für die Gravuren, die sich auf dem Jagdgewehr und den beiden Zigarettenetuis befinden.
Eine Frau, Blätter im Haar, Hände vor der Brust.
Ein springender Mönch.
Etwas, das wie ein Kreis auf einem Dreieck aussieht. Oder wie ein Rad auf einem Gestell.
Die Schöne Lau. Der ertappte Abt. Das Spinnrad.
Als Vater Autenrieth das alles aufgezeichnet hat, stand Cosima daneben. Gelangweilt. Papa muss mal wieder demonstrieren, wie gut er zeichnen kann. Bäh! Vermutlich
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