Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
hoch, in dunkle Augen, die so groß sind, dass es Tamar schon wieder ganz merkwürdig wird. »…und da wollte ich Sie fragen, ob ich noch wegen der Fotos zu Ihnen kommen soll. Es hieß doch, wir sollten Ihnen erzählen, was damit war.« Maria zieht sich einen Hocker an den Tisch und setzt sich und schlägt die dunklen Augen nieder.
Ach!, denkt Tamar. Was denkt man, wenn man Ach! denkt? Nichts. Tamar kann gerade nichts denken. Irgendwie geht das Denken nicht.
»Ich hab auch eines machen lassen«, fährt Maria fort und lächelt, dass Tamar nicht weiß, ob es ein verschämtes Lächeln ist oder ein aufsässiges, oder eines, das noch ganz anderes im Schild führt, »ich dachte, Sie wüssten es…«
Tamar murmelt etwas davon, dass sie eigentlich nur wissen müsste, ob eines dieser Fotos in falsche Hände gekommen sei oder es sonst einen Ärger gegeben habe.
»Ärger hat es schon gegeben, damals«, sagt Maria. Wieder schaut sie Tamar voll ins Gesicht. »Ich hatte den Ärger. Stellen Sie sich vor, die dumme Pute nimmt das Foto in die Schule mit und lässt es von der Klassenlehrerin finden…«
Barbara tritt aus der Bank und schaut sich um. Kein Kerl mit Lederjacke, kein schwarz behelmter Motorradfahrer. Von der Bank aus hatte sie Berndorf angerufen, mit einer unbeteiligt, fast gleichgültig klingenden Stimme hatte er mitgeteilt, er befinde sich in dem Café gegenüber dem Schauspielhaus, in Gesellschaft von Cosima und Meunier…
Sie hatte ausrichten lassen, Meunier solle seinen Motorradfahrer zurückpfeifen, sie komme jetzt in das Café. »Bestell mir schon einmal einen Café crème.«
Der Regen hat nachgelassen, und in den Wolken ist ein Licht, als könnte vielleicht doch noch ein später Sonnenstrahl hindurchdringen. Sie geht beschwingt, eine mit Einkaufstüten schwer bepackte Frau kommt ihr entgegen, Barbara lächelt ihr aufmunternd zu und ist schon vorbei und auf dem Platz vor dem Schauspielhaus.
Das Café ist noch nicht sehr voll, in einer Ecke sieht sie Berndorf, der vor sich einen halb leer gegessenen Teller stehen hat. Ihm gegenüber sitzen Cosima Autenrieth und der Mann, der Meunier sein muss. Felix streckt sich und stemmt sein Hinterteil hoch, um schließlich vollends aufzustehen und sie mit einem Wedeln des Stummelschwanzes zu begrüßen.
»Ich hoffe, Sie alle haben nicht zu lange warten müssen«, sagt Barbara, greift sich ohne Umschweife einen freien Stuhl und setzt sich neben Berndorf. Sie nickt Cosima zu und lächelt das Lächeln, das zum Ausdruck bringt, wir wollen doch bitte die Form wahren. »Sie sind Herr Meunier, nicht wahr?«, sagt sie dann zu dem anderen Mann und stellt sich selber vor, denn Berndorf kaut noch immer an seinem Blumenkohlgratin.
»Machen Sie nur keine Umstände, gnä’ Frau«, sagt Meunier deutet eine Verbeugung an, »Sie sind mir angenehm, wenn Sie etwas Angenehmes mitzuteilen haben. Und vor allem mitzubringen.«
»Ich bringe Ihnen etwas mit«, antwortet Barbara, »aber es dauert noch eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten, bis die beiden Aktenköfferchen – wie soll ich sagen? – bis sie gepackt sind. Ein Bote bringt sie dann hierher.«
Die Bedienung bringt den Kaffee. Barbara dankt.
»Heißt das«, fragt Cosima scharf , »Sie haben über das Konto verfügt? Dazu waren Sie nicht befugt.«
»Doch, meine Liebe«, kommt katzenmild die Antwort. »Der Sachbearbeiter bei der Bank hat mir erklärt, dass ich befugt bin. Der Zugang war einzig an das Passwort geknüpft. Das kenne ich. Sie kennen es nicht. Also bin ich befugt. So einfach ist das.«
»Sie genießen diese Rolle, nicht wahr?«, fragt Cosima. »Aber Ihnen gehört kein einziger Pfennig von diesem Geld, und täuschen Sie sich nicht: Ich werde Sie für jede einzelne Verfügung haftbar machen.«
»Sei mal still.« Nun ist es Cosima, die unterbrochen wird. »Mich interessiert, wie viel das ist, dieses Geld«, sagt Meunier, »und was davon in die Aktenkoffer geht, von denen sie redet.« »Lassen Sie nur«, meint Barbara. »Sie hat ganz Recht. Mir gehört schon deshalb kein Pfennig, weil das Portfolio in Dollar geführt wird. Es ist also Geld da, und was davon für Sie beide verfügbar ist« – sie deutet flüchtig auf Cosima und Meunier – »erhalten Sie nachher. Vorher muss ich Sie aber davon in Kenntnis setzen, dass zu dem Depot ein Schließfach gehört mit Dokumenten, die Constantin Autenrieth hinterlassen hat.«
Sie holt zwei Kopien aus ihrer Handtasche und reicht sie an Cosima und Meunier weiter.
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