Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
»Wenn Sie sie gelesen haben, sollten Sie die Kopien vernichten. Es wäre nicht gut, wenn sie bei Ihnen gefunden würden.«
»Das ist die Schrift meines Vaters«, sagt Cosima, und für einen kurzen Moment klingt ihre Stimme weicher oder unsicherer als sonst. »Aber das ist ein ganz persönlicher, privater Brief, und er ist an mich gerichtet.« Die Stimme zieht wieder an. »Wie kommen Sie daran? Wo ist das Original? Und wer gibt Ihnen das Recht, Kopien davon zu machen?«
»Das Original ist ein Beweisstück«, antwortet Barbara. »Und Sie sollten mich nicht ständig nach meinem Recht zu diesem und zu jenem fragen. Was ich tue, tue ich. Sie sollten sich besser überlegen, wie viel Zeit Sie jetzt haben, und was Sie damit beginnen.«
»Sie reden genauso kariert wie dieser vegetarische Schwätzer da«, stellt Meunier fest. »Im Übrigen geht mich dieser Wisch einen feuchten Kehricht an.« Er beginnt, die Kopie – die er nur überflogen hat – in kleine Fetzen zu zerreißen. »Wir haben diesen Autenrieth nicht liquidiert, das ist doch Unsinn. Wir wollten unser Geld zurück, wieso sollen wir ihn da umbringen, bevor wir es haben?« Er wendet sich an Cosima. »Sag du ihr, dass wir bis zuletzt nach ihm gesucht haben. Und dass wir es schon deshalb gar nicht gewesen sein können.«
Cosima hält noch immer die Kopie in der Hand. Plötzlich blickt sie hoch. »Gar nichts weiß ich.«
Berndorf schiebt den Teller zur Seite und winkt der Bedienung und bezahlt für Barbara und sich. Aus den Augenwinkeln sieht er, wie ein beigebrauner Ford vor dem Café hält.
»Mich müssen Sie gar nicht überzeugen«, bemerkt Barbara. »Es kommt darauf an, dass der Untersuchungsrichter hier in Zürich Ihre Geschichte glaubt. Oder der Staatsanwalt in Deutschland. Bei einem von denen werden Sie nämlich antanzen müssen, sofern Sie sich nicht schleunigst aus dieser Geschichte verabschieden.«
Draußen stellt ein Motorradfahrer eine schwere Honda ab. Er trägt einen dieser schwarzen spiegelnden Helme.
»Das sind doch sinnlose Drohungen«, sagt Meunier.
»Jetzt sei bitte du einmal still«, fährt ihn Cosima an. Sie wendet sich an Barbara. »Sie wollen dieses Material, von dem mein Vater spricht, an die Staatsanwaltschaft geben? Soll das eine Erpressung sein?«
»Kaum«, antwortet Barbara.
Über den Platz kommen zwei Männer, seriös dunkle Anzüge unterm Trenchcoat. Jeder trägt einen dunklen Aktenkoffer. »Das Material«, fährt Barbara fort, »ist bereits an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet. Vor einer halben Stunde hat es ein Bote der Bank auf der Hauptpost aufgegeben. Ich kann für Sie den Einlieferungsschein kopieren lassen.«
»Was haben Sie…?«, fragt Meunier. Die Frage bleibt unbeantwortet.
Die beiden Männer nähern sich dem Tisch. »Frau Professor Stein?«, fragt der Ältere der beiden. Barbara nickt, die beiden Koffer werden vorgezeigt, aber Barbara legt keinen Wert darauf, dass sie geöffnet werden. »Stellen Sie sie hier auf den Stuhl neben mir«, sagt sie, nimmt den Füller, der ihr gereicht wird und unterschreibt zwei Quittungen.
Dann sind die beiden Herren auch schon wieder entlassen. Als sie gehen, müssen sie an einem massigen Mann in Lederkluft vorbei, der sich zwei Meter von dem Ecktisch entfernt aufgebaut hat, den schwarzen Helm unterm Arm.
Felix knurrt. Berndorf tätschelt ihm beruhigend den Kopf. »Der eine Koffer ist für Sie, die Tochter des Verstorbenen«, sagt Barbara und legt ihre Hand leicht auf den Stuhl neben sich, »der andere für Sie, Meunier, und für Ihren Motorradfahrer da hinten. In jedem dieser Koffer befinden sich 300 000 Schweizer Franken. Hier in Zürich ist Ihnen damit eher gedient als mit Dollar oder Mark.«
»Zu aufmerksam«, meint Cosima. »Sie verteilen Almosen von dem Geld, das Ihnen nicht gehört. Würden Sie jetzt endlich das tun, was wir vereinbart haben, und mir den tatsächlichen Kontostand nennen?«
»Das Geld auf diesem Konto«, antwortet Barbara, »gehört nicht Ihnen und nicht Ihrer Familie. Es ist Schwarzgeld, das zur Seite geschafft worden ist. Sie beide haben nur eine Wahl. Sie können diese Aktenkoffer nehmen und Adieu sagen. Oder Sie sind nicht damit einverstanden. Dann ist es mir auch recht. Wir bitten die Bedienung, bei der Zürcher Stadtpolizei anzurufen. Die nimmt dann die Koffer zum übrigen Beweismaterial.« Sie nimmt einen Schluck Kaffee und blickt über die Tasse. »Für Sie, Meunier, wäre das gar nicht so dumm. Wenn Sie das Geld brav abgeben, gewinnen Sie
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