Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
vertretungsweise den Gottesdienst in Bonn-Röttgen. Dort lebten Autenrieths. Ich glaube, ich war das eine oder andere Mal dort zum Tee eingeladen …« Seine Stimme klingt gleichgültig. »Jetzt würde ich aber gerne wissen, wo ich Sie absetzen kann?«
»Wenn es Ihnen recht ist, fahre ich mit Ihnen bis zum Münsterplatz.«
Vor ihnen springt eine Ampel auf Gelb, Hartlaub fährt durch. »Wann wurde Ihre Frau die Geliebte Autenrieths?«
Hartlaub bremst scharf ab und zieht den Wagen nach rechts in eine Parklücke. Hinter ihm hupt ein Fahrer und blendet auf und zeigt den Effenberger, als er vorbeifährt. Hartlaub lässt den Motor laufen. »Bitte verlassen Sie jetzt meinen Wagen.« Berndorf bleibt sitzen. »Sie sollten Ihren Pfarrverein anrufen. Sie werden sich um eine Viertelstunde verspäten. So viel Zeit muss übrig sein.«
»Verlassen Sie meinen Wagen.«
Berndorf rührt sich nicht. »Wenn es um die Existenz geht, um das Überleben in einem gesicherten Beruf, sollte eine Viertelstunde nicht zu viel verlangt sein, finden Sie nicht?«
»Muss ich die Polizei rufen?«
»Warum nicht?«, fragt Berndorf. »Nur wird Ihr Pfarrverein dann noch etwas länger warten müssen. Das dauert nämlich, bis das alles protokolliert ist. Diese Geschichte zum Beispiel, wie Sie Ihre Verpflichtungserklärung als IM unterschrieben haben. Oder wie die Stasi Ihnen die Dissertation hat schreiben lassen. Wie Sie im Auftrag der Stasi sich an Marielouise herangemacht haben, um zu verhindern, dass sie ein Netzwerk mit anderen DDR-Dissidenten aufbaut… Was ist mit Ihnen?«
Hartlaub starrt auf das Lenkrad. »Das ist nicht wahr«, sagt er leise.
»Sie haben noch mehr getan«, antwortet Berndorf. »Sie haben Marielouise mit Constantin Autenrieth zusammengebracht. Autenrieth war für ihre Führungsleute hochinteressant, der Sekretär des Bundessicherheitsrats, ein erstklassiges Zielobjekt! Leider aber ideologisch nicht zu knacken. Aber er hatte eine Schwäche. Er war eitel. Er genoss es, brillant oder zynisch oder beides zu sein. Vielleicht hatte er auch Charme, bei der Tochter klingt leiser Verdruss darüber an … Vermutlich war es nicht einmal besonders schwierig, Marielouise für Autenrieth zu interessieren. Ein munteres Gespräch an der Autenrieth’schen Kaffeetafel, leider müssen Sie vorzeitig weg, Sie sind untröstlich, Ihre Frau zurücklassen zu müssen, aber sie ist ja in guten Händen… So ungefähr. Ich stelle mir vor, dass Marielouise erst mal die Stacheln gestellt hat. Sie wird Autenrieth und seine großbürgerlich-weltläufige Attitüde unerträglich gefunden haben, vielleicht haben sie sogar gestritten, aber während sie noch stritten, flogen plötzlich Funken, von denen Marielouise gar nicht mehr wusste, dass es so etwas noch gibt, schließlich war Sie ja mit Ihnen verheiratet… Und irgendwann konnten Sie stolz Ihrem Führungsoffizier mitteilen, dass es geklappt habe und Ihnen ein Gehörn gewachsen sei. Meunier wird zufrieden gewesen sein.«
Hartlaubs Hände halten noch immer das Lenkrad umklammert. »So war das nicht.«
»Dann ist es eben auf andere Weise dazu gekommen«, wischt Berndorf den Einwand weg. »Aber Sie hatten alles unter Kontrolle, von Anfang an. Wusste Marielouise eigentlich, dass es ihr eigener Ehemann war, der ihr all das zugedacht hat? Und dass dieser Ehemann sorgfältig über jeden Schritt, über jede Abwesenheit Report erstattet? Dass er sie so ausspäht, als wäre er unsichtbar dabei? Und zwar bei jedem gottverdammten einzelnen Fick?«
»Sie können mir keinen Vorwurf daraus machen«, sagt Hartlaub mit beherrschter Stimme, »dass ich keine kleinbürgerlichen Besitzansprüche an meine Frau gestellt habe. Alles andere haben Sie frei erfunden.«
»Nun, wie kommt es denn«, fragt Berndorf, »dass Autenrieth plötzlich erpressbar geworden ist? So erpressbar, dass er im Herbst 1991 keinen anderen Weg mehr gesehen hat, als sich abzusetzen?«
»Damals hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihm«, antwortet Hartlaub. »Wir sind 1990 nach Stuttgart gegangen…«
»Aber sicher«, meint Berndorf, »Bonn war Ihnen nach der Wende zu heiß geworden. Kann ich verstehen. Und mit alldem, was aus Ihren beflissenen Dienstleistungen geworden ist, wollen Sie heute nichts mehr zu tun haben. Ist Ihnen klar, dass es bereits zwei Tote sind, die auf Ihr Konto gehen?«
»Ich habe mit dem schrecklichen Tod von Constantin Autenrieth nichts zu tun, und erst recht nicht mit irgendeinem anderen Todesfall.«
»Sie haben mitgeholfen, die
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