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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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»wenn ein Lebewesen in seiner Not oder seiner Verzweiflung allein gelassen wird.«
    Das haben Sie aber ein wenig hoch gehängt, Verehrte.
    Sie greift nach dem Teeglas und lässt es dann doch stehen. »Sie haben den früheren Besitzer gekannt, sonst hätten Sie ihn ja nicht im Krankenhaus besucht. Also müssen Sie mit dem Hund vertraut gewesen sein. Hätten Sie dieses Tier auch dann mitgenommen, wenn es Ihnen völlig fremd gewesen wäre?«
    »Das ist nicht die Frage«, antwortet Berndorf. »Er wäre nicht mitgekommen.«
    »Aber Ihnen folgte er.«
    »Felix, sein Herr und ich haben einmal eine Nacht damit verbracht, jemanden über die französische Grenze zu bringen. Das verbindet.«
    »Sein Herr war auch Polizist gewesen, habe ich das richtig verstanden?«
    Worauf soll das hinaus? »Ja.« Ein bisschen einsilbig. »Wir hatten einige Jahre im gleichen Dezernat gearbeitet. Aber das ist schon bald vierzig Jahre her.«
    »Sie sind ein sehr zurückhaltender Mann.« Wieder das knappe ernste Lächeln. »Sie waren befreundet?«
    »Die letzten Jahre habe ich ihn einige Male getroffen.« Nun lächelt auch er, verlegen. »Ich weiß aber nicht, ob ich Jonas Seiffert – so hieß er – meinen Freund hätte nennen dürfen. Es ist eine Vertraulichkeit dabei, die ich mir dem Lebenden gegenüber nicht herausgenommen hätte.«
    Er zögert, aber Marielouise Hartlaub scheint darauf zu warten, dass er weiterspricht.
    »Jonas war fast eine Generation älter als ich, und das bedeutet, dass ich eigentlich nichts über ihn weiß. Er war fromm – ich bin das nicht –, und zwar fromm auf eine Weise, die mir schon damals altmodisch erschien, auf eine nicht unangenehme Weise altmodisch, unaufdringlich, ohne jeden Anflug von Selbstgerechtigkeit…«
    »Das haben Sie nett gesagt«, fügt Marielouise Hartlaub mit sanfter Stimme ein. »Es ist ja nicht ganz selbstverständlich, dass jemand Frommes nicht selbstgerecht ist.«
    Wenn du das so verstehen willst …
    »Aber erzählen Sie mir doch noch etwas mehr von ihm«, fährt Marielouise fort. »Ich würde mir gerne ein Bild von ihm machen, das zu diesem Hund passt.«
    Um Vergebung, denkt Berndorf: Jonas war nicht bloß das Zubehör seines Hundes. »Er war ein hartnäckiger wortkarger Knochen, einer, der mit seinen breiten ungeschlachten Händen versucht hat, den kleinen Faden zu finden, den sonst keiner sieht. Dabei hatte er Skrupel, mehr Skrupel, als Polizisten haben sollten, und ich glaube, dass er keinen seiner Kunden gerne in den Knast gebracht hat. Ja, werft nur den ersten Stein, sagte er einmal, als wir uns in der Schicht über einen ziemlich scheußlichen Mord unterhielten…«
    Er unterbricht sich. Eine Ehefrau hatte ihren trunksüchtigen Mann mit Rattengift umgebracht, in kleinen Dosen, damit er auch etwas hatte vom Sterben … Vor dem Kind hier musste er das nicht ausbreiten.
    »Sie haben Mörder gejagt?« Pascal hat offenbar sehr genau zugehört. »Richtige Killer?«
    »Jagen ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck«, antwortet Berndorf. »Es gibt einen falschen Eindruck. Es ist Arbeit, Arbeit mit entsetzlich viel Kleinkram.« Pascal nickt wohlerzogen, wie ein Junge eben, der schon sehr oft einen Vortrag über Arbeit mit entsetzlich viel Kleinkram gehört hat. »Und die richtigen Killer, wie du sie nennst, sind eher selten«, schiebt Berndorf nach. »Die meisten Mörder sind ganz alltägliche Leute.«
    »Leute, wie sie hier im Café sind?«
    »Das nun auch wieder nicht. Nicht unbedingt.« Dabei ist das eine Überlegung wert. Durchaus. Wer von den Gästen zum Beispiel, die hier harmlos bei ihrem Milchkaffee sitzen oder beim Weizen, hat schon mal der dementen Oma das Kissen auf den Kopf gedrückt oder das Insulin überdosiert?
    »Aber könnten Sie es den Leuten ansehen? Also ich zeige auf jemanden und Sie sagen mir einfach, ob der positiv ist oder negativ?«
    »Pascal«, mit Nachdruck schaltet sich nun seine Mutter ein, »niemals zeigen wir auf jemanden mit dem Finger. Nicht hier im Café und sonst auch nicht. Außerdem wollte mir Herr Berndorf noch etwas erzählen. Über den Mann, dem Felix früher gehört hat.«
    Berndorf, erleichtert, wendet sich wieder Marielouise Hartlaub zu. »Übrigens hätten Sie Berührungspunkte mit ihm gehabt, nur bin ich nicht sicher, ob Sie davon sehr angetan gewesen wären. Er war nämlich Laienprediger, ich weiß nicht, ob er einer pietistischen Gruppe angehört hat oder – wie soll ich sagen? – auf eigene Rechnung aufgetreten ist. Angeblich

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