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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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nachdenklich. »Aber vielleicht ist es auch ganz anders. Vielleicht bin ich es, die nicht richtig zuhört. Oder die die Mädchen merken lässt, dass mir diese albernen Vorhänge völlig gleichgültig sind. Es ist ja auch wahr, ich selbst müsste das alles gar nicht haben. Aber was werden die Leute hier sagen, wenn es beim Dekan nicht einmal Vorhänge an den Fenstern gibt!«
    Er habe auch keine Vorhänge an den Fenstern, meint Berndorf. »Versuchen Sie es doch, und lassen die Leute reden.«
    »Ich weiß nicht.« Marielouise betrachtet ihn skeptisch. »Ich fürchte, es stehen auch so noch genug Fettnäpfchen herum. Mit dem Kirchenpfleger habe ich es jetzt schon verdorben. Ich hatte ihn gefragt, ob sich bei einem so großen Haus nicht der Einbau eines Solardaches rechne, und plötzlich war er richtig pikiert, als ob ich ihm nicht zutrauen würde, selbst an so etwas zu denken. Ich glaube, ich muss irgendetwas an meiner Einstellung zu den Leuten hier ändern…«
    »Der Kirchenpfleger wird Ärger mit dem Denkmalschutz vorhergesehen haben«, vermutet Berndorf.
    »Davon hat er tatsächlich gesprochen«, antwortet Marielouise, »und ich habe auch gar nicht weiter insistiert. Überhaupt will ich keine Umstände machen, und mich beklagen schon gar nicht. Aber wir wollen in vier Wochen umziehen, und manchmal denke ich, das ist nie zu schaffen.«
    Wieder sieht sie suchend um sich, aber es kommt nur der Kellner und bringt Tee für die Dame und den Apfelsaft und ein Paar Wiener für den Sohn. Um auf dem Tisch Platz zu schaffen, nimmt Berndorf den Umschlag mit den Kopien und legt ihn auf das Sims des Sprossenfensters hinter sich.
    Felix richtet sich auf und schnüffelt.
    »Ist das ein Kampfhund?«, will Pascal wissen.
    »Nein«, antwortet Berndorf und verscheucht die Motte, die schon wieder durch sein Blickfeld taumelt. »Man könnte eher sagen, Boxer sind Wachhunde. Vor allem sind sie nicht aggressiv.« Stimmt das auch? So genau weiß er es nicht.
    »Früher hat man mit Hunden Krieg geführt«, bemerkt Pascal. »Auf dem Wandteppich von Bayeux kann man es sehen. Und zwar solche Hunde mit runden Köpfen, wie er ihn auch hat.« »Da ist er bei mir direkt unterfordert«, antwortet Berndorf und betrachtet den Jungen. Rotes Haar, helle Augen. Den Mund keck ins Gesicht gesetzt.
    Unterm Tisch gibt es ein kurzes Schnappen. »Der hat die Motte gefressen«, sagt Pascal. »Macht er das öfter? Fliegen auch? Und Wespen?«
    »Nach Wespen schnappt er schon auch.« Berndorf glaubt, dass er das nach einem Spaziergang mit Jonas gesehen hat, als sie in einer Gartenwirtschaft eingekehrt waren. »Aber er tut es mit hoch gezogenen Lefzen. Und er schnappt nur ganz kurz, und schleudert die Wespe dann wieder weg. Und wenn sie auf dem Boden liegt, scharrt er mit der Pfote nach ihr, ob sie sich noch rührt.«
    »Und die kann ihn nicht stechen?«
    »Offenbar nicht«, meint Berndorf.
    »Wespen sind ein besonderes Thema bei uns«, erklärt Marielouise Hartlaub.
    Pascal lehnt den Kopf zurück und deutet auf eine Stelle unterhalb seines Kehlkopfs. Berndorf beugt sich vor und sieht eine kleine, etwas gezackte Narbe.
    »Ich hab einmal eine verschluckt«, sagt Pascal und hält den Kopf wieder gerade. »Die war in mein Glas gefallen, und ich hab sie nicht gesehen. Und dann hat sie mich in den Hals gestochen.« Er deutet auf seine Mutter. »Die da hat die Luftröhre aufgeschnitten. Sonst wär ich tot gewesen. Man nennt das eine Tracheotomie.«
    Berndorf blickt auf Marielouise Hartlaub. »Es war auf einer Berghütte im Allgäu«, sagt sie, als ob damit alles erklärt wäre. »Sie sind Ärztin?«, fragt er.
    »Aber woher denn!«, antwortet sie. »Ich hab mal in einer Bezirkstierklinik volontiert. Da habe ich erlebt, wie das bei einem Hund gemacht wurde. Zum Glück. Auf den Rettungsdienst hätten wir nicht warten können. Auf einer Berghütte schon gar nicht.« Sie zuckt mit den Schultern. »Da hab ich das Messer genommen, mit dem man Speck schneidet.«
    Noch immer betrachtet Berndorf die Frau. Sie gibt den Blick zurück, fast ein wenig verlegen. »Aber zu Ihnen – wie kommen Sie denn nun mit diesem Tier zurecht?«, fragt sie dann. »Wir müssen das Zurechtkommen wohl beide erst noch lernen«, antwortet Berndorf.
    »Das ist immer ein Glück, wenn jemand noch etwas lernen kann.« Ein Augenaufschlag aus blaugrauen Augen trifft Berndorf. Dann wandert der Blick zu ihrem Sohn. »Wir mögen es beide nicht, wenn ein…« – sie zögert, als suche sie das richtige Wort –

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