Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
angenehm unaufgeregte Gastgeberin. Aber ist das schon ein Grund, einen Pfarrer an einem Freitagnachmittag am Verfertigen seiner Predigt zu hindern und ihn und seine Frau mit einem sabbernden Boxer heimzusuchen?
Berndorf stellt fest, dass er sich auf Situationen einstellen muss, die neu für ihn sind. Neu ist für ihn, dass er für jemanden anderen sorgen muss. Dass er morgens, mittags und abends mit ihm spazieren zu gehen hat, nicht weil er es so will oder weil etwas erledigt werden muss, sondern einzig, weil es der Hund Felix so erwartet.
Er kann auch nicht mehr einfach zu jemandem gehen und fragen, wie ist das und das gewesen. Es war sein Beruf, zu den Leuten zu gehen und Fragen zu stellen. Jetzt ist das anders. Niemand muss mit ihm reden, niemand muss seine Fragen beantworten.
Pfarrer Johannes Rübsam ist nicht beim Verfertigen seiner Predigt, sondern recht im Garten Laub zusammen.
»Sie wollen nicht zufälligerweise zu mir?«, fragt er über den Gartenzaun. »Es würde mich freuen …«
»Jein«, antwortet Berndorf, »ich wähnte Sie am Schreibtisch, bei Ihrer Predigt, da hätte ich es nicht gewagt, Sie zu stören.« »Sie hätten das durchaus dürfen«, meint Rübsam, »im Übrigen bin ich hier gleich fertig. Wenn Sie solange warten, würde ich mich freuen, wenn Sie eine Tasse Tee mit uns trinken.« Dass die Leute sich freuen, mit einem zu reden, ist auch eine neue Erfahrung, denkt Berndorf. Er geht durch das Gartentor und leint Felix am Zaun an. Der Garten ist nicht besonders gepflegt, verwildertes Buschwerk und abgeblühte Rosensträucher ziehen sich um einen Rasen voll Moos und Klee. Es riecht nach Erde und modrigem Laub. Neben einer Rolle blauer Plastiksäcke liegen eine Heckenschere und Gartenhandschuhe. Berndorf hilft, Laub in Plastiksäcke zu füllen. Dann deutet er auf das Gartengerät.
»Sollten wir nicht auch die Rosenstöcke etwas zurückschneiden?«
»Im Prinzip ja«, meint Rübsam, »falls sich jemand darauf versteht.«
»Ich hatte eine Großmutter«, sagt Berndorf, »eine leidenschaftliche Gärtnerin, weil es nichts anderes für sie zu tun gab. Wie man Rosenstöcke zurückschneidet, hat sie mir beigebracht. Wenigstens glaube ich mich zu erinnern.« Er zieht die Handschuhe an und macht sich an die Arbeit. Dabei fällt ihm ein, dass seine Mitarbeit im großmütterlichen Garten eine äußerst sporadische gewesen ist, eine tunlichst umgangene.
»Wie Sie das tun«, lobt Rübsam, »sieht es jedenfalls sehr professionell aus. Dabei hätte ich gedacht, Sie besuchen mich, weil ich Ihnen etwas über meinen verstorbenen Amtsbruder Wilhelm Hartlaub erzählen soll.«
Berndorf, der gerade zu einem weiteren Schnitt angesetzt hat, lässt die Heckenschere sinken und blickt hoch.
»Ist das in Ihrem Beruf kein Problem«, fragt er zurück, »wenn Sie die Leute ständig durchschauen?«
Rübsam überlegt. »Ach, so weit her ist das nicht damit. Die wenigsten machen es mir so leicht wie Sie.«
»Hab ich das?«
Rübsam hebt die linke Hand als wäre er Fußballtrainer, und zeigt an, dass noch vier Minuten gespielt werden müssten. »Es ist so einfach wie das Zweimalzwei. Sie waren auf der Beerdigung dieses Ortsvorstehers und kommen mit dessen Hund zurück. Der Journalist, der darüber schreibt, ist aus Lauternbürg. Er kommt ums Leben, noch am gleichen Tag. Das lässt doch Sie nicht kalt… Und dann stelle ich Sie unserem künftigen Dekan vor, und plötzlich bemerke ich, wie Sie hellwach werden und angespannt sind, als wollten gleich Sie und nicht ihr Hund die Katze auf den Baum jagen. Also wussten Sie bereits, dass unser künftiger Dekan Sohn des weiland Seelsorgers von Lauternbürg gewesen ist…«
Berndorf lächelt. Was ihm Rübsam gerade sagt, hat er bisher nur vermuten können, Hartlaub ist in Württemberg kein so seltener Name. Davon abgesehen hatte er bei jenem abendlichen Zusammentreffen durchaus keinen Grund, den Namen Hartlaub mit Lauternbürg in Verbindung zu bringen. Diesen Grund hat er erst seit gestern Abend.
Seit er eine vergilbte Notiz aus dem »Tagblatt« gelesen hat.
Und überhaupt. Wenn er im Gespräch mit den Hartlaubs so angespannt gewesen ist, wie Rübsam es behauptet, so ist der Grund durchaus kein kriminalistischer gewesen.
Aber muss er das dem Dr. theol. Watson auf die Nase binden? »Bingo«, sagt er fröhlich. »Aber wenn Sie so gewappnet darauf sind, dass ich Sie nach Hartlaub senior frage – was also gibt es von Ihrem Amtsbruder zu wissen, Gott hab ihn selig?« »Das weiß
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