Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
herausgenommen hatte.«
»Wie geht das Ehepaar Hartlaub junior selbst mit all dem um?«, fragt Berndorf und schneidet die Wildtriebe eines Rosenstocks ab. »Vor allem die Frau sieht mir so aus, als hätte sie Grundsätze. Ich weiß nicht warum, aber ihr würde ich eine gefälschte Spendenquittung nicht andrehen wollen.«
»Ach ja?«, fragt Rübsam und betrachtet Berndorf aufmerksam. »Wen in der Landeskirche halten Sie denn empfänglich für so etwas? Sie sollten das, was damals war, nicht mit dem Fälschen von Spendenquittungen vergleichen. Der Erste, der jeder Verharmlosung der Deutschen Christen entschlossen widersprechen würde, wäre übrigens Guntram Hartlaub selbst. Als ich ihn kennen lernte, sprach er mit einer solch ungefragten Aufrichtigkeit über seinen Nazi-Vater, dass es einem geradezu auf die Nerven gehen konnte. Ich meine, unter Studenten versteht es sich doch von selbst, dass man ganz unerträgliche Elternhäuser hat, da braucht doch keiner darüber zu reden … Sonst wirkte Guntram eher angepasst und unauffällig, ein strebsamer, fast zu adrett gekleideter junger Mann – ungewöhnlich unter Theologen –, der es aber offenbar als seine Berufung ansah, die Verstrickungen des Vaters wieder gutzumachen. Rasend peinlich, so etwas, sogar seine Dissertation handelt von der Verstrickung des Vaters und dem notwendigen oder nicht erfolgten Strafgericht über die Hirten, falls ich nicht irgendetwas durcheinanderbringe.«
»Irgendwann scheint sich dies aber wieder gelegt zu haben«, meint Berndorf und schnipselt die abgeschnittenen Triebe klein, so dass sie leichter in den Plastiksack passen.
»Ich habe dann einige Semester in Heidelberg studiert«, antwortet Rübsam, »und mir über Guntram Hartlaub weiter keine Gedanken gemacht. Als ich nach Tübingen zurückkam, um das Examen zu machen, war er dort bereits als Vikar der Evangelischen Studentengemeinde zugeteilt. Es sind nicht die Dümmsten, die diesen Job bekommen. Ich wunderte mich ein wenig, aber Guntram hatte sich verändert, er hatte das Zuhören gelernt, freundlich, interessiert, geduldig …«
»Wenn das so ist, so ist das nicht wenig«, meint Berndorf und blickt hoch, denn Verena Rübsam erscheint im Garten.
»Der Tee ist fertig«, sagt sie und nickt Berndorf zu. »Ich hab auch schon eine Tasse für Sie dazugestellt.«
Kuttler stellt seinen Dienstwagen neben einem rostigen Toyota ab. Beete mit staubigem und stacheligem Immergrün säumen den Parkplatz. Auf dem Weg zu einem Gebäude aus den frühen 70er-Jahren, das für ein Wohnhaus zu unwirtlich und für einen Gewerbebetrieb zu wenig professionell aussieht, kommt er an einem Spielplatz vorbei, auf dem eine Gruppe von Halbwüchsigen lungert.
An der Eingangstür steht eine Blumenschale mit verwelkten Herbstblumen. Er klingelt und muss etwas warten, dann öffnet ihm eine blonde Frau, sie wirkt wach, aufmerksam …, ein bisschen schmallippig, denkt Kuttler, aber nicht feindselig.
Er stellt sich vor und bittet um Entschuldigung, wenn er stören sollte. »Sie sind Frau Hartlaub? Marielouise Hartlaub?« Sie nickt und führt ihn in ein kleines Arbeitszimmer, dessen Wände mit überquellenden Bücherregalen zugestellt sind. Auf dem Schreibtisch steht ein aufgeklappter Laptop, der Bildschirmschoner lässt ein Kaleidoskop ins Auge purzeln.
Er ermittle im Fall eines Journalisten, der unter noch unklaren Umständen zu Tode gekommen ist, erklärt Kuttler, als sie Platz genommen haben. »Ein gewisser Eugen Hollerbach…« Auf der Stirn von Marielouise Hartlaub hat sich eine steile Falte gebildet… »Ich wollte mit Ihnen sprechen, weil er vor etwa zehn Tagen einen Artikel geschrieben hat, der sich angeblich auch mit Ihnen beschäftigt. Ich sollte wissen, ob das so stimmt und ob er zuvor mit Ihnen Kontakt aufgenommen hat …«
»Geht es um den Mann, der in seiner Wohnung verbrannt ist?«
Kuttler nickt. Gleichzeitig überlegt er, ob er sagen soll, dass der Mann schon vorher tot war. »In der Wohnung war ein Brand, und er ist dort tot aufgefunden worden.«
»Ich habe davon gehört. Aber es war mir nicht klar, dass der Tote dieser Mann war.« Sie macht eine Pause. »Merkwürdig. Aber wenn es um diesen Herrn Hollerbach geht – der hat tatsächlich einen Artikel geschrieben, der sich irgendwie auch mit mir befasst. Für mich kam das etwas unerwartet, ich hatte nicht damit gerechnet, dass ein persönlicher Brief an die Zeitung gegeben wird. Und ich hätte mir auch nicht vorgestellt, dass die
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