Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
Zeitung dann tatsächlich darüber berichtet, ohne mitzuteilen, was ich wirklich geschrieben habe und ohne mich vorher auch nur nach meinen Beweggründen zu befragen … Aber man lernt nie aus.«
»Der Herr Hollerbach hat also nicht mit Ihnen gesprochen? Hat Sie auch nicht angerufen oder Sie besuchen wollen?«
Marielouise Hartlaub hebt entschuldigend beide Hände. »Ob er anzurufen versucht hat, weiß ich natürlich nicht. Aber wie jedermann haben auch wir einen Anrufbeantworter, und es sieht weder meinem Mann noch meinem Sohn ähnlich, dass sie eine Nachricht für mich unterdrücken.«
Aus seiner Brieftasche holt Kuttler einen Abzug der Fotografie, die er sich beim »Tagblatt« besorgt hat. »Sie haben diesen Mann auch nie gesehen? Leider ist diese Aufnahme mindestens zehn Jahre alt.« Er legt eine zweite Fotografie dazu, die einen alten VW-Käfer mit Ulmer Kennzeichen zeigt. »Oder vielleicht haben Sie diesen Wagen hier irgendwo gesehen? Es ist ja fast ein Oldtimer.«
Sie wirft einen Blick auf das Foto des VW, und betrachtet dann das Porträt. »Nein«, sagt sie, »ein solches Auto ist mir nicht aufgefallen, aber das bedeutet nichts. Ich habe keinen Blick für Autos. Und das Gesicht sagt mir gar nichts. Ist – oder vielmehr war das dieser Eugen Hollerbach?«
»Ja«, sagt Kuttler und hat nun auch schon keine Fragen mehr. Marielouise Hartlaub bringt ihn zur Tür, er verabschiedet sich und geht zu seinem Wagen. Am Spielplatz albern noch immer die Halbwüchsigen an der Kinderschaukel.
Einen Augenblick zögert Kuttler. Dann steckt er die Autoschlüssel ein und geht zu der Gruppe und sagt: »Hallo!« und stellt sich vor.
Das »Hallo!« wird zögernd erwidert. »Ich suche einen Mann, der möglicherweise hier aufgetaucht ist«, fährt er fort und holt die beiden Fotografien heraus.
»Hey Mann«, sagt ein dunkelhäutiger Junge mit einer Baseballkappe, »Infos gibt’s nur gegen Cash.«
»Dreh deine Mütze um, mit dem Schild nach hinten«, antwortet Kuttler. »Sieht cooler aus.«
»Ist das ein Mörder?«, will ein Mädchen wissen, das die blonden Haare zu Rasta-Zöpfen geflochten hat.
»Wir sind noch ganz am Anfang der Ermittlungen«, weicht Kuttler aus. »Es kann sein, dass der Typ heute ein bisschen anders aussieht, breiter im Gesicht«, sagt er dann.
»Der ist doch da schon ein versiffter alter Mann«, sagt ein schwarzhaariges Mädchen. »So sehen Kerle aus, die es mit Kindern machen.«
»Woher weißt denn das?«, will der Dunkelhäutige wissen.
»Der VW-Käfer da«, sagt plötzlich ein Junge, der bisher etwas abseits gestanden war und sich dann aber doch auch die Fotos hatte zeigen lassen, »Baujahr 1967, nicht wahr? Man sieht es an den Heckleuchten. Der stand vor ein paar Tagen auf dem Parkplatz da drüben, da, wo jetzt Ihr Opel steht. Es war schon dunkel, aber der Wagen ist mir gleich aufgefallen, mein Vater hat auch noch einen Käfer, aber einen von 1952, er ist nämlich in einem Fanclub …«
Samstag, 10. November 2001
Es ist ein frischer, spätherbstlicher Morgen. Langsam lichtet sich der Nebel, die Sonne lässt das Laub brüchig und goldfarben leuchten. Die Straße windet sich über Kuppen und an Wäldern vorbei, mit Streckenabschnitten, die dem eiligen Fahrer vorgaukeln, hier könne er überholen.
Kuttler ist kein eiliger Fahrer. Trotzdem nervt ihn der grüne Kombi, mit dem ein offenbar älterer Mann über die Alb zockelt. Der Gegenverkehr ist nicht dicht, aber zweimal schon hat er ein Überholmanöver abbrechen müssen, weil über eine Kuppe ein anderes Fahrzeug entgegengekommen war.
»Wir haben Zeit«, sagt Tamar neben ihm. »Dieser Neuböckh wird uns nicht auch noch davonlaufen.«
»Dafür sperrt er uns vielleicht ein«, meint Kuttler. »Ins Spritzenhaus zum Beispiel. Schließlich ist er der Feuerwehrkommandant, hast du mir gesagt.«
»Kuttler«, sagt Tamar müde, »halt’s Maul.«
Gestern am späten Nachmittag hatte Reino Rosen im Neuen Bau angerufen und gesagt, er habe da zwei Männer in seiner Garage … Nein, er wisse auch nicht, was die da wollten, vielleicht seien es Einbrecher, aber er habe alles zugeschlossen, das Garagentor und die Tür ins Haus.
Eine Polizeistreife hatte dann die seit zwei Stunden abgängigen Kollegen Krauss und Krauser befreit. Wenig später war auch ihr Streifenwagen gefunden worden, abgestellt auf einem Waldparkplatz an der Landstraße, die von Wintersingen nach Wieshülen führt. Der Streifenwagen war unbeschädigt, es fehlte nichts, und der
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