Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
pensionierten allein stehenden Beamten, der sich als Begleiter im Ruhestand einen Hund zugelegt hat und mit ihm ein paar schöne Herbsttage im Lautertal spazieren gehen will. Wie es sich fügt, vermietet eine Waltraud Ringspiel Ferienwohnungen und hat auch nichts dagegen, dass er einen Hund mitbringt, und so hat sich Berndorf auf den Weg gemacht, ungeachtet des säuerlichen Ratschlags, den Tamar ihm mitgegeben hat:
»Bei den Ringspiels machen Sie Urlaub? Wie schön. Aber seien Sie bei der Begrüßung vorsichtig – die Hausherrin hat rechts nur vier Finger. Dafür kann es gut sein, dass Sie Ihnen ein Ohr abquasselt…«
Die Straße führt von der Albhochfläche steil hinab. Berndorf fährt durch eine erste Kehre und eine zweite, dann ist auf der Talseite eine gekieste Rast- und Aussichtsplattform angelegt, von einem niedrigen Geländer umgeben. Er fährt bis knapp an das Geländer heran, steigt aus und lässt auch Felix heraus, damit dieser Pfosten und Kieshaufen beschnüffeln kann.
Unten im Tal sieht er Lauternbürg mit seinem gedrungenen Kirchturm und den braunroten Dächern der Bauernhöfe und den ziegelroten der neuen Wohngebiete. Zu seiner Überraschung erkennt er sogar – spielzeuggroß – das Häuschen mit den leeren ausgebrannten Sparren. Weiter links liegt ein Gewerbegebiet mit Hallen und Containerbüros, auf einem Freigelände sind Traktoren und Mähdrescher aufgereiht. Oberhalb von Lauternbürg weitet sich das Tal, zwischen Weiden schlängelt sich der Flusslauf der Lauter.
Dann hat Felix seine Inspektionsrunde beendet, und Berndorf fährt weiter. Nach drei weiteren Kehren passiert er das Ortsschild »Lauternbürg«, links der Straße stehen die Traktoren und Mähdrescher aufgereiht, die er von oben gesehen hat. Auf einer Werkhalle mit Sheddächern liest er die Aufschrift:
»Karlheinz Neuböckh Landmaschinen An- und Verkauf«.
An der Kirche mit ihrem gedrungenen Sandsteinturm und am Fachwerkbau des »Adler« vorbei fährt er zum westlichen Ortsende und von dort auf eine kleine Anhöhe, wo der Aussiedlerhof der Ringspiels liegt. Er parkt den Wagen auf einem Platz, der mit Pflastersteinen markiert ist, steigt steifbeinig aus und sieht sich um. Eine getigerte Katze sonnt sich auf einem Holzstapel und ist plötzlich hellwach, als Berndorf den Hund herauslässt. Sie duckt sich, und ihr Schwanz sieht mit einem Mal doppelt so dick aus wie zuvor.
Vom Haus her kommt eine Frau in Gummistiefeln auf Berndorf zu und will wissen, ob er gut hergefunden habe. Im gleichen Atemzug sagt sie, der Hof sei ja leicht zu finden, und mustert Felix. »Das ist aber ein großer Hund, den Sie da haben, so groß hätt’ ich ihn mir nicht vorgestellt, geben Sie nur Acht wegen dem Tigerle, das sieht immer so lieb aus, aber es bringt’s fertig und geht auf den Hund los!«
Berndorf sieht sich besorgt um. Die Tigerkatze ist inzwischen auf eine Abfalltonne gesprungen und faucht unverkennbar in Richtung Felix. Nicht nur der Schwanz ist doppelt so dick wie zuvor, sondern das ganze Tier. Felix knurrt, und Berndorf hat einige Mühe, ihn mit sich ins Haus zu zerren, wo es für ihn und den Hund im Hochparterre ein Ferienappartement gibt mit einer kleinen, von Stauden umrankten Terrasse. Die Sesselgarnitur im Wohnraum ist mit braunem Cordsamt bezogen, es gibt einen Fernseher und ein großes gerahmtes Bild, das Kühe vor einem Alpenmassiv zeigt.
Waltraud Ringspiel erklärt ihm die Küche und den Kühlschrank und den Herd, eine Spülmaschine gibt es auch, aber wenn man allein lebt wie der Herr aus Ulm, wird man vielleicht doch lieber im »Adler« essen, die Küche sei dort sehr ordentlich, und er solle auch ruhig sagen, wenn er einen besonderen Wunsch habe oder eine Diät halten müsse. Im Frühjahr seien sogar Herren aus Afrika dagewesen, »also Neger, dass Sie mich richtig verstehen, und die wollten kein Schweinefleisch, das habe ich auch nicht gewusst, dass es solche gibt, die das nicht wollen, und der Koch vom ›Adler‹ hat sich hingesetzt und im Internet nachgeguckt, was er kochen soll, und die Herren aus Afrika sind sehr zufrieden gewesen…«
Schließlich geht sie, und Berndorf kann sein Gepäck unterbringen. Viel hat er nicht mitgenommen ein paar Hemden und die Unterwäsche, zwei Gedichtbände, ein Schach-Lehrbuch über moderne Eröffnungstheorien. Als alles ausgepackt und auch für die Hundedecke ein Platz unter dem Küchentisch gefunden ist, machen sich Berndorf und Felix an einen ersten Spaziergang durch das Dorf.
»Wir
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