Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
herausgefunden, dass ihm solche Gesellschaft die Unterlagen filzt? Sie müssten ein wenig mehr davon wissen, Paco, denn Sie haben es gesehen.«
»Entschuldigung«, unterbricht ihn Paco und beugt sich nach vorn zum Autoradio und dreht den Ton lauter. Aus dem Lautsprecher hüpft Sidney Bechets Petite Fleur und ist unverschämt munter und vergnügt …
Pfeifen im Walde und auf der Autobahn, denkt Berndorf. Lauf nur davon, mein Lieber. Irgendwer wird dich finden, und das ist nicht gut für dich. Du musst dich mit mir einlassen, das ist nicht angenehm, aber anders kommst du nicht mit heiler Haut davon… Im Nachthimmel sieht er die Positionslichter eines Jets, der zum Landeanflug auf Stuttgart-Echterdingen ansetzt, Berndorf stellt sich die angemüdeten Fluggäste vor, das genervte Warten an der Gepäckausgabe. Dann fällt ihm ein, wie dringend er selbst ein Bett braucht und eine warme Dusche und eine Tür, die er hinter sich abschließen kann.
Petite Fleur ist verklungen, Paco dreht den Ton wieder leiser. »Ich weiß ja nicht, wie lange wir noch brettern sollen«, sagt er dann. »Aber einige Kilometer nach dem Engelbergtunnel können wir einen Autohof anfahren, da hat es immer ein Zimmer …« Er wirft einen abschätzenden Blick auf Berndorf. »Falls Ihnen der Komfort genügt, wie ihn ein Fernfahrer hat.« »Einverstanden«, sagt Berndorf. »Wenn es nur eine warme Dusche gibt.«
Dann sagt eine ganze Weile keiner der beiden etwas. Disco-Musik vermischt sich mit dem Fahrgeräusch zu kaum unterscheidbarem Klanggeriesel. Wenn du nicht reden willst, denkt Berndorf, willst du nicht reden.
Ein blauweißes Hinweisschild kündigt eine Ausfahrt an.
Paco räuspert sich. »Was meinten Sie damit, dass ich etwas gesehen haben soll?«
»Sie haben nicht irgendetwas gesehen«, stellt Berndorf richtig, »Sie haben gesehen, wie Eugen Hollerbach umgebracht wurde.«
»Ist doch gar nicht wahr«, widerspricht Paco und wechselt mit dem Wagen auf die rechte Spur.
Berndorf sagt nichts und wartet.
»Der war schon tot, als ich dazukam.«
»Erzählen Sie es mir.«
Paco zögert. »Na gut … Ich hab den ganzen Nachmittag nach ihm gesucht, weil, er sollte mir erklären, wie er dazu kommt, mein Mädchen so zu fotografieren. Und die Fotos an die Leute zu geben. Aber ich hab ihn nicht gefunden, und so bin ich einfach herumgefahren, ich weiß auch nicht, wohin und warum … Aber das Herumfahren hat nicht geholfen. Und spät am Abend bin ich noch einmal zurück, das Haus war dunkel, und es stand auch kein Auto davor. Ich hab meinen Wagen dann unten auf dem Kirchplatz geparkt und bin zurückgegangen…«
»Warum?«
»Ich wollte nicht, dass er heimkommt und gleich sieht, dass da jemand auf ihn wartet.«
»Sie wollten ihm die Fresse polieren?«
»Was sonst?«, fragt Paco zurück. »Aber wie ich vor dem Haus stehe, ist es noch immer dunkel, und doch hab ich Licht gesehen, verstehen Sie? Da war einer mit einer Taschenlampe drin, und ich denke, das schau ich mir doch mal an, was der da wieder treibt… Die Haustür war angelehnt, und ich steige die Treppe hoch und höre zwei Typen halblaut reden, irgendwie nicht freundlich, ich meine, besonders gut drauf waren die nicht, die hatten so miteinander zu tun, dass mich keiner gehört hat … Und dann bin ich oben und sehe durch eine offene Tür Licht, oder besser einen Lichtschein, wie wenn jemand eine Taschenlampe eingeschaltet hat, und das Licht fällt auf einen, der auf dem Boden liegt, irgendwie verkrampft, und plötzlich weiß ich, dass der tot ist…«
Im Scheinwerferlicht leuchtet das Ausfahrtsschild auf. Paco nimmt das Gas zurück. Berndorf wartet.
»Wissen Sie, es war nicht der erste Tote, den ich gesehen habe«, fährt Paco fort, als der Wagen die Ausfahrt passiert hat. »Als Fernfahrer kriegen Sie einiges mit, und auf der Balkanroute sowieso… Also der war mausetot, der da auf dem Boden lag, und zuerst hab ich gemeint, das sei bei dem Streit passiert, den ich gehört hab … Aber dann ist mir klar geworden, dass da noch immer zwei Typen waren und sich zofften, weil der eine fand, dass das mit dem Kerl auf dem Fußboden eine ziemliche Scheiße sei, und wollte gar nicht mehr aufhören damit… Und ich höre ihm zu und finde, so Unrecht hat der gar nicht, als ich plötzlich den Lichtkegel mitten im Gesicht habe und mich einer anschreit, ich soll die Hände hoch nehmen und herkommen und all so was …«
Rechts der Straße rückt ein großer Parkplatz ins Blickfeld, auf dem mehrere
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