Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
zu halten, und beginnt, in seinem Gedächtnis nach Gedichten zu suchen, die er lautlos rezitieren könnte, wieder schiebt sich ihm das Bruchstück einer Brecht-Legende in den Sinn:
Doch der Mann in einer heitren Regung
Fragte noch: »Hat er was rausgekriegt?«
Die Tür öffnet sich, Villekens kommt herein und bleibt einen Augenblick neben Berndorf stehen und blickt auf ihn herab. Ohne es zu sehen, weiß Berndorf, dass Villekens mit den Achseln zuckt. Dann geht er hinter seinen Schreibtisch und setzt sich und legt die Ellbogen auf den Tisch und stützt sein Kinn mit den gefalteten Händen und starrt vor sich hin.
»Wir haben jetzt das meiste geklärt«, sagt er schließlich. »Ich hatte Ihnen ja schon gesagt, dass es eine Vermisstenanzeige im Falle des Herrn Autenrieth nicht gibt und nie gegeben hat. Damit ist schon mal ein Teil Ihrer Aussage in Frage gestellt. Und nun zu dem, was wir nicht in Frage stellen.«
Er macht eine Pause und holt aus seiner Schreibtischschublade ein Zigarrenetui heraus. »Rauchen Sie?« Berndorf schüttelt den Kopf. »Aber Sie erlauben?« Ohne eine Antwort abzuwarten, nimmt er sich eine Brasil und schneidet das Mundstück säuberlich mit einem Taschenmesser aus. Schließlich zündet er die Zigarre mit einem Streichholz an, wartet, bis sie Glut gefangen hat, und stößt einen Rauchkringel aus.
»Es stimmt, dass in Rotterdam eine Ladung Waffen sichergestellt worden ist. Es stimmt, dass die Waffen in Containern einer Firma gefunden worden sind, die in Lauternbürg ansässig ist. Wo immer das ist. Und es stimmt, dass es an einer Jagdhütte auf der Gemarkung dieser Gemeinde eine Schießerei gegeben hat. Hat mir alles der Kollege aus Ihrem netten Ulm bestätigt.« Er betrachtet die Zigarre. »Freundlicher Mann. Steinmann? Nein.« Er wirft einen Blick auf seinen Notizblock. »Steinbronner. Auch kein direkter Freund von Ihnen, muss ich schon sagen.«
Nein, denkt Berndorf. Kein direkter Freund.
»Aber es stimmt so weit alles. Inzwischen wissen wir sogar mehr. Der Geländewagen hatte eine Münchner Nummer und war zugelassen auf…« Wieder blickt er auf seinen Notizblock. »Den Namen dieses Mannes müssen Sie nicht wissen. Es genügt, dass ich Ihnen sage, für wen er arbeitet. Er arbeitet für die NSA.« Villekens steckt die Zigarre in den Mund und saugt daran. Offenbar ist er mit der Glut nicht zufrieden.
Berndorf gähnt. Was soll er auch sagen? Die NSA, die National Security Agency der Vereinigten Staaten, unterhält in Oberbayern eine Deutschland-Zentrale, von der aus die Amerikaner ihre Spionage in Europa koordinieren.
Villekens betrachtet ihn besorgt. »Wenn ich Sie so sehe, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Und keine gefällt mir. Entweder stecken Sie so tief in einer ganz üblen Geschichte drin, dass es mir wirklich Leid tut, Sie Kollege genannt zu haben. Oder Sie haben einfach keine Ahnung.«
»Könnte ich Ihr Telefon benützen?«, fragt Berndorf. »Ich würde mir jetzt gerne ein Hotel suchen.«
Villekens lässt die Zigarre sinken und verharrt einen Augenblick, als ob er nachdenken würde.
»Bitte«, sagt er schließlich und schiebt das Telefon über den Tisch und holt aus einer Schreibtischschublade ein Telefonbuch und reicht es nach.
»Eines wollte ich Sie noch fragen«, sagt er, als Berndorf die Seite mit den Hotels aufschlägt. »Ist Ihnen eigentlich klar, was dieser Trick mit der doppelten Bombenfalle bedeutet?«
Berndorf hebt fragend die Augenbrauen, während er mit dem Finger die Liste der Hotels entlanggeht.
»Es ist eine Warnung«, fährt Villekens fort, »eine Warnung von Profis an einen, den sie für einen Profi halten. Ihre Freunde haben gewusst, dass Sie schlau genug sind, um Lunte zu riechen. Aber der Trick soll Ihnen sagen, dass Ihre Freunde noch ganz anders können. Wollen Sie Polizeischutz?«
»Dieses Hotel Cosmos«, sagt Berndorf, »liegt das einigermaßen ruhig?«
Dienstag, 13. November 2001
»Es ist ganz einfach«, sagt der Mann mit dem grau melierten Haar und beugt sich über das Sofa, und während er das tut, steigt Tamar der Geruch von Tosca for men in die Nase. »Sie ziehen die Lehne nach vorne und gleichzeitig die Sitzfläche nach oben…« Er macht es vor, und Lehne und Sitzfläche rasten nebeneinander ein. »Jetzt ist es wie ein französisches Bett«, sagt der Mann und lächelt zu Tamar hoch. Das Lächeln sieht aus, als ob der Mann feuchte Mundwinkel hätte.
»Nett«, sagt Tamar. Es ist ihr gerade eingefallen, dass sie noch einen
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