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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Schlafsack hat und eine Matte dafür. »Sehr wohnlich.« Sie setzt sich an den kleinen Tisch, der Stuhl hat einen flauschig rosafarbenen Polsterbezug, und holt ihre Brieftasche heraus. Der Teppichboden ist braun genoppt, das Klappsofa braungelb gestreift, und die Fenster haben geometrisch bedruckte Vorhänge aus einem Synthetikstoff. Tamar zählt das Geld für Kaution und Novembermiete ab. »Dezember läuft dann der Dauerauftrag.«
    »Sie sind Kriminalbeamtin, sagten Sie?«, fragt der Mann. »Ich glaube, da haben wir einen richtigen Glücksfang gemacht.« Tamar denkt an die Miete und widerspricht nicht.
    »Vor zwei oder drei Jahren hatten wir in der Straße einen Mord«, fährt der Mann fort. »Nur wenige Häuser von hier. Ein pensionierter Richter hat dort gelebt, und er hatte zwei belgische Schäferhunde, beide scharf abgerichtet. Ich sage Ihnen, die ganze Straße hatte Respekt vor diesen Kötern. Aber dem Richter hat das gar nichts genützt. Der Mörder hat den Hunden den Hals durchgeschnitten und dann ihm. Sie kennen den Fall sicher, der Mörder war dieser Talheimer …«
    »Thalmann«, sagt Tamar. »Der Mann hieß Thalmann.«
    »Ich sehe, Sie wissen Bescheid … Also seither hat man in der Straße Angst. Jeder hat Angst. Da gibt es kein Haus, an dem keine Bewegungsmelder installiert sind. Aber wenn wir jetzt jemand von der Kriminalpolizei hier haben…«
    »Dann nützt das im Ernstfall womöglich ebenso wenig, wie die belgischen Schäferhunde dem Richter genützt haben.« Kurzes Lächeln. Dann nimmt sie die Schlüssel entgegen, lässt sich den Keller zeigen und darüber belehren, dass sie alle drei Wochen Kehrwoche hat.
    »Und bitte auch den Rinnstein.«
    Minuten später fährt sie eine lang gestreckte Straße entlang, gesäumt von Einfamilienhäusern, zugewachsen vom Ziergehölz. Tamar will nicht darüber nachdenken, was sie in dieser Straße zu suchen hat. Dafür, dass sie abends die Tür hinter sich zuziehen kann, genügt das Appartement. Sie kann duschen, und sie hat eine Einbauküche, um sich einen Tee aufzusetzen oder ein Spiegelei zu braten. Wenn sie die Vorhänge nicht erträgt, wird sie andere aufhängen.
    Mehr braucht sie nicht.
    In ihrer Jackentasche hört sie ein kurzes Surren. Es ist das Mobiltelefon, aber es ist kein Anruf aufgelaufen, sondern eine Simse. Während sie hinter einer Straßenbahn wartet, die vor einer Ampel halten muss, liest sie auf dem Display:
    bko wants u
     
     
    Rübsam öffnet die Tür zum Pfarramtssekretariat und fährt erschrocken zurück.
    Das Sekretariat ist voll gestellt mit Pappschildern. Eines davon zeigt schwarz vor einem violetten Himmel die Umrisse der Pauluskirche und auf dieser in flammenden gelben Buchstaben den Aufruf:
    Wer den Pfennig nicht ehrt
    ist den Euro nicht wert
    Spenden Sie Ihr Münzgeld
    für unseren Vespergottesdienst
    »Was ist das nun wieder?«, fragt Rübsam und nimmt sich eine zweite Tafel vor, diesmal mit der Aufschrift:
    Der Euro kommt, die Mark ist futsch
    Nur im Vespergottesdienst
    drehen wir noch jeden Pfennig
    zweimal um
    »Die Tafeln hat der CVJM gemacht«, erklärt die Pfarramtssekretärin Kuchenbeck. »Das ist doch pfiffig. Wenn jetzt die Währungsumstellung kommt, wissen doch viele Leute nicht, was sie mit ihrem Kleingeld machen sollen.«
    Rübsam hat sich die Tafeln näher angesehen. »Und was ist das da?« Er deutet auf eine stilisierte Sparkasse.
    »Ja«, sagt die Kuchenbeck, »die Plakate sollen ja nach etwas aussehen, da haben sich die jungen Leute mit der Sparkasse in Verbindung gesetzt, für die Druckkosten.«
    »Warum sagen Sie nicht gleich, dass der Sparkassen-Weglein dahinter steckt?«, fragt Rübsam ungehalten. »Wenn ich ihn das nächste Mal bei uns sehe, werde ich über die Geldwechsler predigen, und wie Jesus sie aus dem Tempel vertreibt.«
    »Sie machen es einem wirklich nicht leicht«, klagt die Kuchenbeck zur Antwort. »Dabei ist auch so alles schwer genug, glauben Sie mir nur. Aber Sie wissen ja gar nicht, was die Leute alles so reden, gerade jetzt…«
    »Was reden welche Leute worüber?«
    »Das wissen Sie doch ganz genau«, weicht die Kuchenbeck aus und schaut weg, als Rübsam ihren Blick mit den Augen festhalten will. Diese Sache mit dem neuen Dekan hat viel böses Blut in der Gemeinde gemacht, ich meine, der Dekan mag ja ganz ein ordentlicher Mann sein, da hört man nichts Nachteiliges, aber diese Frau, wie die den Männern vom Posaunenchor mitgespielt hat.«
    Vorsichtig kehrt ihr Blick zu ihm zurück. »Aber das

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