Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
und dem ausgestopften Mantel hat sie an einen ausgerutschten Streich später Jugendlicher denken lassen, an ein boshaftes Vexierspiel, um sie selbst und die Polizei vorzuführen…
Das Telefon klingelt, sie hebt ab, es ist Steinbronner. »Könnten Sie mal kurz vorbeikommen, Kollegin?«
Steinbronner hat sich in einem Büro eingenistet, das eigentlich für den stellvertretenden Amtschef bestimmt ist. Doch dieser Posten ist im Augenblick vakant und wird es der Haushaltssperre wegen wohl noch eine Weile bleiben. Obwohl es in dem Zimmer nicht übermäßig warm ist, hat Steinbronner sein Jackett ausgezogen und sitzt jetzt in Hosenträgern vor ihr.
»Nehmen Sie doch Platz«, sagt er, »die Dinge sortieren sich, das ist immer ein angenehmes Gefühl, finden Sie nicht?«
Tamar setzt sich.
»Diese Sache mit diesem Jiri Adler, der Ihnen davongelaufen ist – das war eine gute Idee, die Raststätten überprüfen zu lassen.« Er hebt ein Fax auf und wedelt damit anerkennend. »Wir haben ihn. Das heißt, es sind die Sachsen, die ihn haben. Sie haben den Lastwagen, bei dem er zugestiegen ist, hinter Plauen herausgewunken, eine komische Geschichte…«
Tamar wartet und sagt nichts.
»Als die Kollegen den Wagen überprüfen wollten, sind gleich zwei Leute herausgesprungen und weggerannt, der Fahrer und der Beifahrer.« Steinbronner betrachtet Tamar, und sein Blick scheint belustigt, fast verächtlich. »Die Kollegen waren etwas überrascht, weil sie gedacht hatten, es würde ihnen nur einer davonlaufen wollen. Sie haben aber dann doch beide geschnappt und sich den Lastwagen mit den gebrauchten Ersatzteilen näher angesehen, und siehe da – sie fanden jede Menge fabrikneuer Ware, meist noch in die Folien eingeschweißt, nur leider nicht die richtigen Lieferpapiere dazu … Licht am Ende des Tunnels, würde ich sagen.« Steinbronner macht eine Pause und betrachtet zufrieden das Fax aus Plauen. »Und Sie, was haben Sie herausgefunden?«
»Ich habe mir diese Jagdhütte angesehen, in der sich Adler aufgehalten haben soll«, berichtet Tamar. »Es muss dort eine Schießerei gegeben haben, die Einschläge in der Hütte sehen ziemlich neu aus. Außerdem haben wir die Reifenspuren eines Geländewagens gefunden, aus Lauternbürg ist uns dazu ein Hinweis gegeben worden. Der Wagen…«
»…hat ein Münchner Kennzeichen«, unterbricht sie Steinbronner, »und ist auf einen gewissen Meunier Gustav zugelassen.« Er hebt den Kopf und schiebt das Kinn vor. »Ich habe vorhin mit einem seiner Vorgesetzten gesprochen.«
Das Deckenlicht fällt auf einen Schreibtisch mit Aktenbündeln, es ist später Abend, Berndorf sitzt auf einem Holzstuhl und hält sich an dem Plastikbecher mit Automatenkaffee fest, den ihm vorhin ein Uniformierter gebracht hat.
Ihm gegenüber sitzt, zurückgelehnt, der Hauptkommissar Anton Villekens von der Bonner Kriminalpolizei und betrachtet Berndorf oder sieht über ihn hinweg oder schläft mit offenen Augen.
Kaffee aus dem Automaten schmeckt abscheulich. Kann man abscheulich steigern? Eher nicht. Für den Kaffee aus den Automaten von Polizeipräsidien müsste man es aber können.
Wieder einmal zieht Berndorf seine Taschenuhr heraus. 22.35 Uhr. Gott befohlen. Felix schläft in einem Zwinger für Fundtiere. Wann wird Berndorf ein Bett finden und wo? Er schüttelt den Kopf, als wolle er sich die Müdigkeit wie Sandkörner aus dem Pelz schütteln. So ist der Mensch: Gerade dem ganz langen Schlaf entronnen, mault er seiner Bettruhe nach…
Das Telefon schlägt an. Mit einem Griff hat Villekens den Hörer und meldet sich. Dann hört er nur noch zu. Und auf einmal ist es, als würden seine Augen erst jetzt Berndorf wirklich wahrnehmen, sie saugen sich an ihm fest mit einem Ausdruck wacher, alarmierter Besorgnis.
»Willst du ihm das nicht selber sagen?« Es ist der erste Satz, den Villekens spricht.
Der Gesprächspartner antwortet etwas, aus dem auf sehr eindeutige Weise hervorzugehen scheint, dass er das durchaus nicht will. Villekens lacht kurz und unfroh und legt auf.
»Also Kollege.« Er beugt sich nach vorne und sucht Berndorfs Blick. Villekens hat nach hinten gekämmtes, lockiges graues Haar. Es ist schon so schütter, dass die Schädelform sichtbar wird.
Ein Kiebitz, denkt Berndorf. »Sie vergessen schon wieder, dass ich nicht Ihr Kollege bin.«
»Entschuldigung. Der Herr legen Wert auf Distanz.« Villekens hebt kurz beide Hände und lässt sie wieder fallen. »Aber bitte. Hatten Sie Wertsachen in
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