Der Hund des Todes
zumindest Gefängnis drohte, wenn er nicht bald seine Schulden bezahlen konnte. Er musste innerhalb weniger Monate eine beträchtliche Geldsumme aufbringen. Nun – das würde jetzt in Ordnung kommen. Charles war zufrieden. Dank seinem Scherz – na ja, etwas makaber war er schon… war er gerettet. Jetzt würde er bald ein reicher Mann sein. Darum brauchte er sich nicht mehr zu sorgen, denn Mrs Harter hatte niemals ein Geheimnis aus ihrer Absicht gemacht.
Elizabeth steckte den Kopf zur Tür herein und teilte ihm mit, dass Mr Hopkinson gekommen sei und ihn zu sprechen wünsche.
Genau zur rechten Zeit, dachte Charles. Er unterdrückte eine Lust zu pfeifen und zwang sein Gesicht zu dem der Lage angemessenen Ernst. Dann ging er in die Bibliothek hinunter. Er begrüßte den pedantischen alten Herrn, der über ein Vierteljahrhundert hindurch der juristische Berater seiner Tante gewesen war.
Der Notar nahm auf Charles’ Einladung hin Platz und begann nach höflichem Räuspern sogleich das Berufliche zu besprechen.
»Ich habe den Sinn des Briefes nicht ganz verstanden, Mr Ridgeway, den Sie mir schrieben. Sie scheinen anzunehmen, die verstorbene Mrs Harter habe Sie als ihren Alleinerben eingesetzt?«
Charles starrte ihn an.
»Ja, sicher – meine Tante hat es mir doch selber gesagt.«
»O ja, gewiss. Sie waren auch als Alleinerbe eingesetzt.«
»Waren?«
»Das sagte ich. Mrs Harter schrieb mir aber vor ein paar Tagen, ich solle ihr das Testament am vergangenen Donnerstag wieder zuschicken.«
Charles hatte ein unbehagliches Gefühl, die Vorahnung von etwas Unerfreulichem.
»Zweifellos wird es sich unter ihren Papieren finden lassen«, fuhr der Notar milde fort.
Charles sagte nichts. Er hütete seine Zunge. Er hatte schon Mrs Harters Papiere sorgfältig durchsucht, um genau zu wissen, dass kein Testament dazwischenlag. Erst nach einigen Minuten, in denen er seine Selbstbeherrschung wiedererlangt hatte, sagte er das. Seine Stimme klang unwirklich, und er hatte das Gefühl, kaltes Wasser tropfe seinen Rücken hinunter.
»Hat jemand ihre persönlichen Sachen durchsucht?« fragte der Notar.
Charles antwortete, dass die Haushälterin, Elizabeth, das getan hätte. Auf Hopkinsons Vorschlag hin wurde Elizabeth gerufen. Sie erschien prompt, mürrisch und aufrecht und beantwortete die Fragen, die man ihr stellte. Sie hatte die Kleider und alle persönlichen Sachen ihrer Herrin durchsucht. Sie war sicher, dass darunter kein juristisches Dokument gewesen war. Sie wusste, wie das Testament aussah – ihre arme Herrin hatte es am Morgen vor ihrem Tode noch in der Hand gehalten.
»Täuschen Sie sich da auch nicht?« fragte der Notar scharf.
»Nein, Sir, bestimmt nicht. Sie sagte es mir selbst. Und sie gab mir fünfzig Pfund in Scheinen. Das Testament war in einem länglichen, blauen Umschlag.«
»Ja, das stimmt«, sagte Hopkinson.
»Jetzt fällt mir auch wieder ein«, fuhr Elizabeth fort, »dieses blaue Kuvert lag am Morgen nach ihrem Tod auf diesem Tisch, aber leer. Ich legte es dann auf den Schreibtisch.«
»Ja, ich erinnere mich, es da gesehen zu haben«, bestätigte Charles.
Er stand auf und ging zum Schreibtisch. Nach ein paar Augenblicken kam er mit einem Kuvert in der Hand zurück, das er Hopkinson reichte. Der prüfte es und nickte. »Das ist der Umschlag, in dem ich ihr das Testament am vergangenen Donnerstag schickte.«
Beide Männer sahen Elizabeth fest an.
»Wünschen Sie noch etwas, Sir?« fragte sie höflich.
»Nein, im Augenblick nichts mehr, danke«, antwortete der Notar. »Moment mal! Sagen Sie – war im Kamin an jenem Abend Feuer?«
»Ja, Sir, wir machen jeden Abend Feuer.«
»Danke, das genügt.«
Elizabeth verschwand. Charles beugte sich vor, seine zitternde Hand lag noch auf dem Tisch.
»Was denken Sie darüber? Was wollen Sie tun?«
Hopkinson hob die Schultern.
»Da können wir nur hoffen, dass das Testament noch irgendwo auftaucht. Wenn nicht…«
»Was dann?«
»Dann, fürchte ich, gibt es nur eine Schlussfolgerung: Ihre Tante ließ sich das Testament schicken, um es zu vernichten. Da sie nicht wollte, dass Elizabeth dadurch etwas verlöre, gab sie ihr die fünfzig Pfund in bar.«
»Aber warum?« schrie Charles verzweifelt. »Warum denn?«
Hopkinson räusperte sich, trocken und unbeteiligt. »Hatten Sie – äh – vielleicht eine Auseinandersetzung mit Ihrer Tante, Mr Ridgeway?« murmelte er.
Charles schnappte nach Luft.
»Nein, wirklich nicht«, beteuerte er leidenschaftlich.
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