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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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»Wir verstanden uns ausgezeichnet, wir empfanden die aufrichtigste Zuneigung füreinander – bis zum Schluss.«
    »Aha.« Hopkinson sah ihn nicht an.
    Mit einem Schock wurde Charles klar, dass der Notar ihm nicht glaubte. Wer mochte wissen, was dieser Paragrafenhengst alles ahnte? Vielleicht waren ihm Gerüchte von Charles’ Schulden zu Ohren gekommen. Vielleicht dachte er, dass auch seine Tante davon gewusst und ihr Neffe deswegen Streit mit ihr gehabt hatte?
    Charles machte die bittersten Minuten seines Lebens durch. Seine Lügen hatte man ihm geglaubt. Jetzt, da er die Wahrheit sagte, wurde an seinen Worten gezweifelt. Welche Ironie des Schicksals!
    Natürlich hatte seine Tante das Testament nicht verbrannt, natürlich nicht. Sie hatte es doch in der Hand gehalten…
    Eine plötzliche Erkenntnis durchzuckte ihn. Wie war doch das Bild? Vor seinem geistigen Auge tauchte es wieder auf… Die alte Dame sprang auf, eine Hand auf das Herz gepresst – aus der anderen glitt etwas, segelte etwas Weißes in die rote Glut des Kamins…
    Charles’ Gesicht wurde aschfahl. Er hörte eine heisere Stimme, seine eigene, fragen: »Und wenn das Testament nicht gefunden wird?«
    »Dann existiert noch ein früheres von Mrs Harter. Es ist schon Jahre alt. Darin vermacht Mrs Harter alles Vermögen ihrer Nichte Miriam Harter, jetzt Miriam Robinson.«
    Was sagte der alte Idiot da? Miriam…? Miriam mit ihrem komischen Ehemann und ihren vier rotznasigen Gören… Sein ganzer kluger Plan – für Miriam?
    Das Telefon schrillte grell unmittelbar neben Charles. Er hob den Hörer ab. Es war der Arzt. Seine warme, freundliche Stimme sagte: »Ridgeway, sind Sie’s? Sie wollen doch sicherlich den Befund erfahren. Die Autopsie ist gerade beendet worden. Todesursache wie ich vermutet habe. Aber ihr Herz war schon viel schwächer, als ich damals gedacht hatte. Bei allergrößter Vorsicht hätte sie höchstens noch zwei Monate zu leben gehabt. Vielleicht ist es ein Trost für Sie.«
    »Verzeihung«, sagte Charles. »Würden Sie das bitte noch einmal sagen?«
    »Sie hätte auf jeden Fall nicht mehr länger als zwei Monate leben können«, wiederholte der Arzt ein wenig lauter. »Alles hat auch wieder sein Gutes, mein lieber Junge, sehen Sie…«
    Charles legte den Hörer langsam auf die Gabel zurück. Mit halbem Bewusstsein hörte er die weit entfernte Stimme des Notars.
    »Mein Gott, mein lieber Ridgeway, ist Ihnen nicht wohl? Sind Sie krank?«

Zeugin der Anklage

1
     
    » S o war die Geschichte, Herr Rechtsanwalt«, schloss der gut aussehende junge Mann im schäbigen Tweedanzug seinen etwas aufgeregten Bericht. »Was soll man da nur machen?«
    »Es ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, dass die Polizei Sie verhaften wird, Mr Vole, und da brauchen Sie einen Barrister * , der Sie vor Gericht verteidigt. Ich werde mich gleich mal mit meinem Kollegen in Verbindung setzen.«
    Der Anwalt zog das Telefon zu sich heran und wählte eine Nummer.
    »Mayhew von der Firma Mayhew und Brinskill am Apparat. Ich möchte gern mit Sir Wilfrid Robarts sprechen… Wilfrid? Hier ist John. Ich habe da einen Klienten, dessen Fall dich bestimmt interessieren wird… Ja, ich weiß, dass du viel zu tun hast, aber es ist sehr dringend… Schön, wann könnten wir zu einer Besprechung kommen?… Gut, wir werden pünktlich da sein.«
    Er legte den Hörer auf und wandte sich an den jungen Mann. »Also, Sir Wilfrid Robarts erwartet uns um fünf Uhr.
    Da sein Büro im Temple * * ist, treffen wir uns am besten dort in der Halle.«
    Leonard Vole erhob sich, und der Rechtsanwalt begleitete ihn bis zur Tür.
    Eine müde Oktobersonne warf ihren wässerigen Schein auf die regennassen Straßen, als Leonard Vole in die Fleet Street – das Reich der Presse und des Gesetzes – einbog. Sobald er in die Halle des Temple trat, fühlte er sich um ein paar Jahrhunderte zurückversetzt. Draußen der dröhnende Verkehr der Gegenwart – drinnen die mittelalterliche Atmosphäre der dämmerigen Halle, über deren riesigen Steinquader Gestalten in schwarzen Roben, weißen Beffchen und grauen Perücken hin und her eilten. Leonard Vole wurde von einem leichten Schauder erfasst bei dem Gedanken, dass vielleicht schon bald ein paar solcher schwarzer Gestalten um seinen Kopf miteinander debattieren würden. Er hatte jedoch nicht viel Zeit, sich diesen Betrachtungen hinzugeben, denn er sah die hagere Gestalt seines Rechtsanwaltes auf sich zukommen, und wenige Minuten später betraten sie gemeinsam

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