Der Hund des Todes
Dienste. Zwei Legate von je fünfhundert Pfund für ihre Schwester und ihren ältesten Vetter, der Rest für ihren geliebten Neffen Charles Ridgeway.
Mrs Harter nickte mehrmals. Charles würde ein reicher Mann sein, wenn sie gestorben war. Soll er – er ist ein lieber, guter Junge. Immer freundlich, immer voller Zuneigung und stets ein fröhliches Wort zur Hand, um sie aufzumuntern.
Sie sah auf die Uhr: drei Minuten vor halb zehn.
Nun gut, sie war bereit. Und sie war ruhig – ganz ruhig. Obwohl sie sich diese Worte ständig wiederholte, schlug ihr Herz ängstlich und unregelmäßig. Immer wieder sagte sie vor sich hin, dass sie ganz ruhig sei, aber ihre Nerven waren über das erträgliche Maß hinaus angespannt.
Halb zehn! Das Radio war eingeschaltet. Was würde sie hören? Eine Stimme, die den Wetterbericht bekannt gab oder die leise, weit entfernte Stimme, die ihrem Mann gehörte, der vor fünfundzwanzig Jahren gestorben war? Doch sie hörte nichts von beiden. Statt dessen vernahm sie ein Geräusch, das sie zwar kannte, das ihr aber heute Abend einen Schrecken einjagte, als griffe eine eisige Hand nach ihrem Herzen… Ein Schlüssel wurde ins Haustürschloss gesteckt…
Ein kalter Hauch wehte durch den Raum. Mrs Harter hatte keinen Zweifel mehr, es war soweit… Sie hatte Angst, sie hatte nur noch Angst – lähmendes Entsetzen packte sie.
Und plötzlich wurde ihr bewusst: Fünfundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit! Patrick ist für sie jetzt ein Fremder!
Jetzt waren leise Schritte vor der Tür… zaghaft, zögernd. Und nun öffnete sich geräuschlos die Tür…
Mrs Harter erhob sich, ihre Beine zitterten – leicht von einer Seite auf die andere schwankend, starrte sie auf die offene Tür.
Aus ihren Fingern glitt etwas in den Kamin.
Sie wollte schreien, doch sie konnte nicht – eine wohl bekannte Gestalt mit einem altmodischen Backenbart und in unmoderner Kleidung stand im Dämmerlicht auf der Türschwelle: Patrick!
Ihr Herz spürte einen schmerzhaften Riss, flatterte noch wie ein Vögelchen am Boden – dann Stille. Sie fiel zu Boden. Elizabeth fand sie eine Stunde später.
Sofort rief sie Dr. Meynell an. Charles Ridgeway wurde hastig von seinem Bridgeabend zurückgerufen. Man konnte nichts mehr tun. Mrs Harter war bereits dort, von wo es keine Rückkehr gibt.
Zwei Tage später erinnerte sich Elizabeth an den Brief, den ihre Herrin ihr für Dr. Meynell gegeben hatte. Er las ihn mit großem Interesse und zeigte ihn Charles Ridgeway.
»Ein komischer Zufall«, sagte Dr. Meynell. »Es scheint ziemlich sicher zu sein, dass Ihre Tante Halluzinationen von der Stimme ihres verstorbenen Mannes hatte. Sie muss sich darüber so erregt haben, dass ihre Aufregung tödlich war, als der Zeitpunkt kam. Sie starb an einem Herzschlag.«
»Autosuggestion?« fragte Charles.
»Möglich. Ich werde Sie das Ergebnis der Autopsie sofort wissenlassen, obwohl ich keinerlei Zweifel habe. Unter diesen Umständen ist eine Autopsie jedoch notwendig – natürlich eine reine Formsache.«
Charles nickte verständnisvoll. Längst hatte er einen bestimmten Draht von der Rückseite des Radioapparates hinauf in sein Zimmer im oberen Stockwerk entfernt. Auch einen Backenbart hatte er längst verbrannt. Ein paar viktorianische Kleidungsstücke, die seinem verstorbenen Onkel gehörten, lagen schon lange wieder in der Truhe auf dem Speicher.
Soweit er übersehen konnte, war er vollkommen sicher. Sein Plan, der sich zuerst schattenhaft in seinem Kopf zu formen begonnen hatte, als Dr. Meynell ihm sagte, seine Tante könne bei großer Vorsicht noch viele Jahre leben, war großartig geglückt. Nur ein plötzlicher Schock, hatte Dr. Meynell zu Charles damals gesagt – zu diesem liebenswürdigen jungen Mann, an dem die alte Dame so gehangen hatte.
Charles lächelte.
Als der Arzt gegangen war, machte sich Charles methodisch an die Erfüllung seiner Pflichten. Die Vorbereitungen für das Begräbnis waren zu treffen. Für Verwandte, die von weit kamen, musste er Zugverbindungen heraussuchen. In ein oder zwei Fällen würden sie sogar über Nacht oder für zwei Nächte bleiben. Charles erledigte alles tüchtig und gewissenhaft, während ihn seine eigenen Gedanken begleiteten. Könnte es sein, dass irgendjemand etwas ahnte?
Niemand! Am allerwenigsten hatte seine tote Tante gewusst, in welch schwieriger Lage er steckte. Seine Machenschaften, die er vor allen hatte sorgfältig verbergen können, hatten ihn so weit gebracht, dass ihm
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