Der Hund des Todes
wie Sie wissen, hatte ein Erlebnis, das Ihrem sehr ähnlich ist. Ich glaube, dass wir dem Geheimnis nun auf der Spur sind. Fällt Ihnen noch etwas ein?«
Felise machte eine rasche Bewegung.
»Natürlich! Wie dumm von mir. Es ist das Wichtigste der ganzen Geschichte. Schauen Sie, Monsieur, was ich hinter dem Küchenschrank fand.«
Sie zeigte ihnen einen Bogen schmutzigen Zeichenpapiers, auf dem in Wasserfarben die Rohskizze einer Frau zu erkennen war.
Nur eine Kleckserei, aber die Ähnlichkeit war deutlich. Es zeigte eine große blonde Frau mit einem fremdländischen Gesicht. Sie stand an einem Tisch, auf dem ein blauer Porzellankrug stand.
»Ich habe es erst heute Morgen gefunden«, erklärte Felise. »Monsieur, das ist das Gesicht der Frau aus meinem Traum. Und es ist der gleiche Krug.«
»Ungewöhnlich«, meinte Lavington. »Der Schlüssel zu diesem Geheimnis ist ganz offensichtlich der blaue Krug. Mir scheint, es ist ein chinesischer Krug, wahrscheinlich ein sehr alter. Er hat ein eigentümliches Muster.«
»Er ist chinesisch«, erklärte Jack. »Ich habe genau das gleiche Stück in der Sammlung meines Onkels gesehen. Er ist ein leidenschaftlicher Sammler chinesischen Porzellans. Ich erinnere mich, einen solchen Krug vor nicht allzu langer Zeit gesehen zu haben.«
»Der chinesische Krug«, murmelte Lavington. Er versank ein paar Minuten in Gedanken, dann hob er plötzlich den Kopf, und ein seltsames Leuchten trat in seine Augen.
»Hartington, wie lange hat Ihr Onkel diesen Krug schon?«
»Wie lange? Das weiß ich wirklich nicht.«
»Denken Sie nach! Hat er ihn erst kürzlich gekauft?«
»Ich weiß es nicht. Ja… ich glaube, ja. Jetzt erinnere ich mich. Ich selbst interessiere mich nicht sehr für Porzellan, aber mir ist so, als hätte er mir diesen Krug als neuesten Zugang seiner Sammlung gezeigt.«
»Ist das weniger als zwei Monate her? Die Turners haben das Heather-Landhaus vor ungefähr acht Wochen verlassen.«
»Ja, ich glaube, es war vor zwei Monaten.«
»Besucht Ihr Onkel manchmal Auktionen?«
»Er fährt von einer Auktion zur anderen.«
»Dann dürfen wir wohl mit Recht annehmen, dass er diesen Krug auf der Versteigerung der Turner’schen Sachen erstand. Ein seltsamer Zufall – oder vielleicht das, was ich das Suchen nach der blinden Gerechtigkeit nenne. Hartington, Sie müssen sofort feststellen, wo Ihr Onkel diesen Krug gekauft hat.«
Jacks Gesicht verzog sich.
»Ich fürchte, das wird nicht möglich sein. Onkel George ist nicht in England. Ich weiß nicht einmal, wohin ich ihm schreiben könnte.«
»Wie lange wird er fortbleiben?«
»Mindestens drei bis vier Wochen.«
Es entstand eine Pause. Felise blickte nervös von einem Mann zum andern.
»Gibt es denn nichts, was wir tun können?«, fragte sie mutlos.
»Doch, es gibt etwas«, antwortete Lavington in einem Ton zurückhaltender Erregung. »Es ist vielleicht ungewöhnlich, aber ich glaube, es verspricht Erfolg. Hartington, Sie müssen diesen Krug herbeischaffen. Bringen Sie ihn hierher, und falls Mademoiselle erlaubt, werden wir einen Abend im Heather-Landhaus verbringen und den blauen Krug mitnehmen.«
Jack fühlte, wie er eine Gänsehaut bekam.
»Was glauben Sie, was passieren wird?«, fragte er unruhig.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, aber ich glaube ehrlich daran, dass das Geheimnis gelüftet und der Geist vertrieben wird. Höchstwahrscheinlich hat der Krug einen falschen Boden und irgendetwas ist innen versteckt. Wenn kein Phänomen erscheint, müssen wir eben unseren Scharfsinn gebrauchen.«
Felise klatschte in die Hände.
»Das ist eine wunderbare Idee!«, rief sie aus.
Aus ihren Augen leuchtete Enthusiasmus. Jack war nicht annähernd so begeistert, im Gegenteil, innerlich war er sehr beunruhigt, aber nichts hätte ihn bewegen können, diese Tatsache vor Felise zuzugeben. Der Doktor tat so, als wäre sein Vorschlag die natürlichste Sache der Welt.
»Wann können Sie den Krug holen?«, fragte Felise.
»Morgen«, antwortete er widerstrebend.
Es war ihm nicht angenehm, aber er musste die Sache jetzt zu Ende bringen. Bis dahin nahm er sich vor, so wenig wie möglich an den wahnsinnigen Schrei zu denken.
Am folgenden Abend ging er in das Haus seines Onkels und nahm den betreffenden Krug mit. Als er ihn wiedersah, verstärkte sich seine Gewissheit, dass er mit dem auf dem Bild identisch war. Aber so sorgfältig er ihn auch untersuchte, er fand weder einen doppelten Boden noch sonst etwas
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