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Der Hund von Welt

Der Hund von Welt

Titel: Der Hund von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina von der Leyen
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lange geblieben war: Ich verhielt mich ruhig, solange der Gast seinerseits bescheiden auf dem Sofa saß. Sobald er in der Wohnung herumgehen wollte, wuffte ich die ganze Zeit leise und alarmiert. Sobald der Gast beispielsweise für ein paar Minuten im Bad verschwand, stimmte ich bei dessen Rückkehr ein ohrenbetäubendes Gebell an, was wie ein „Kikerikiiii!“ klang und in meinen besten Momenten zum sofortigen Hörsturz beim Opfer führte. Dieser Trick war auch sehr wirkungsvoll bei Übernachtungsgästen: Am nächsten Morgen begrüßte ich sie mit dem selbenschrillen Schrei des Entsetzens, dass sie immer noch da seien. – Selbst die hartgesottensten Besucher machen derlei nicht häufiger mit, als unbedingt nötig.
    Der Schlüssel liegt – wie in vielen Dingen – in einer subtilen Herangehensweise. Menschen mit dunkler Kleidung – vorzugsweise dunkle Wolle, Samt oder Cord – sind sowieso Anziehungspunkt für Fusseln und Haare jeder Art: Wenn der Hund möglichst kurzes, helles Fell hat, kann er mit wenig Aufwand und ein bisschen Konzentration einen bleibenden unangenehmen Eindruck hinterlassen.
    Wenn es eine ganze Besuchsgruppe ist, legt man sich am besten in die Mitte der Gruppe und lässt seine Darmwinde frei. Wichtig ist hierbei, dass dies in aller Stille geschieht. Kein lautes Pupsen, das sofort den Hund als Schuldigen entlarven würde (es werden sowieso grundsätzlich alle Blähungs-Vorkommnisse dem jeweiligen Haushund untergeschoben, aber ein gewisser Zweifel bleibt trotzdem immer).

    Wenn sich eine besonders elegante Person, möglichst eine Dame, in der Gruppe befindet, sollte man ihr später unauffällig folgen und den Vorgang wiederholen.
    Formelle Gäste sind überhaupt ein leichtes Ziel für Peinlichkeiten. Menschen haben ganz allgemein ein merkwürdig verklemmtes Verhältnis zu ihren und fremden Genitalien – man sieht auch nie in der Öffentlichkeit Menschen, die einander zum besseren Kennenlernen gegenseitig am Hintern riechen –; stattdessen verbergen sie ihre „Scham“ (wie Menschen diese Körperteile bezeichnenderweise nennen) gewöhnlich unter mehreren Lagen von Kleidung.

    Diese Neurose lässt sich vom Hund zum Vorteil wenden. Möchte man also, dass ein besonders aufdringlicher Gast das Haus möglichst schnell wieder verlässt, braucht man nur lässig auf ihn zuzugehen und mit wachsender Intensität seinen Schritt zu beschnüffeln. Ein solches Verhalten sorgt dafür, dass sich alle anwesenden Personen sofort in Grund und Boden schämen und den Besuch entweder verkürzen oder den Hund in einem anderen Zimmer unterbringen, in dem er seine Ruhe hat.

Der gut gekleidete Hund

    Jahrhundertelang liefen Hunde nackt und bloß herum, wie Gott sie schuf. Das ist nun vorbei: In der heutigen Zivilisation gibt es Bekleidung für jeden Hund jeden Taillenumfanges, jeder Größe und jedes Budgets. Vom Parka über Lodenmantel bis hin zum Strandkleid sind den Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Hunde fühlen sich dabei trotz Pullover nicht wie ein Mensch, der Mensch aber vergisst angesichts seines Hundes in Kaschmir gerne mal, dass sein Vierbeiner keine kleine, haarige Person ist. Es gibt dabei ganz schlichte praktische Aspekte für einen bekleideten Hund. Im Winter hält sie den Hund warm, im Sommer bringt sie ihn zum Glühen. Kleidung hält den Hund sauberer; es ist deutlich weniger Aufwand, Pullover, T-Shirts und Mäntelchen zu waschen, als den ganzen Hund.
    Hunden ist es ja ziemlich schnuppe, ob der Artgenosse ein T-Shirt trägt mit der Aufschrift „Desperate Housedog“ oder einem Strass-Totenkopf darauf. Ein Rüschenkleid reicht noch nicht als Beweis, dass der andere weiblich ist und sich der Weg quer über die Straße lohnen könnte: Hunde glauben gewöhnlich nur, was sie riechen können. Hunde wissen, dass mehr dazu gehört, ein guter Hund zu sein, als einen Mini-Kaschmirpullover zu tragen und in einer 400-Euro-Tasche herumgeschaukelt zu werden. Sie achten weniger auf das Äußere als auf die inneren Werte.
    Nur für Menschen ist Kleidung seit Jahrhunderten ein Status-Symbol. Auch wenn sie ihre Gefühle meist unterdrücken und für sich behalten, macht es ihnen doch etwas aus, wenn sie auf der Straße einen besser gekleideten Hund sehen als den eigenen, schon, weil es mittlerweile bei erhältlichen 450 Rassen praktisch unmöglich ist, einander mit der Besonderheit des eigenen Hundes im Vorbeigehen zu beeindrucken. Und gerade bei den Moderassen ist es häufig allein das Kostüm, das ihn von den

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