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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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meinen Schoß. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und sagte: »Jetzt ist mir danach. Dir auch?«
    »Ja, sehr.«
    Ich blickte auf den träge fließenden Strom und auf die glitzernden Lichter der Fabriken jenseits der dunklen Wasserfläche. Aus den Schornsteinen zuckten orangerot die Flammen der abgefackelten Gase, und die Nachtschicht schickte, wie uns zum Gruß, dicke Wattewolken in den Nachthimmel. Da ließ sich auch der Mond nicht lumpen; er trat aus seinem Versteck hervor und malte verzerrte Schattenrisse der Büsche und Brückenpfeiler auf die Flußwiese.
    Einer der Schatten bewegte sich plötzlich, und dann noch einer.
    »Erschrick nicht, Liebes«, sagte ich. »Rück nur einfach rüber auf den Beifahrersitz.«
    Sie stellte keine Fragen. Und während sie noch ihr Kleid ordnete, drehte ich den Zündschlüssel.

47.
     
     
     
    Als sie auf fünf Schritte herangekommen waren, sprang der Motor an. Kupplung treten, Gang rein. Ich ließ die Kupplung schnalzen, trat das Gaspedal durch. Die beiden Gestalten vor uns sprangen zur Seite. Eine war kräftiger, eine eher schmal, mehr konnte ich nicht erkennen. Der Kräftige schlug mit einem Knüppel zu, traf aber nur das zurückgeklappte Verdeck. Auch der Schmale war nicht untätig. Er holte aus, und irgend etwas segelte durch die Luft und landete platschend auf dem Rücksitz.
    Dann waren wir von der Wiese runter und befanden uns auf dem Feldweg. Im Rückspiegel sah ich, daß hinter uns ein Scheinwerferpaar aufleuchtete. Wer auch immer in dem Wagen saß, einholen würde er uns nicht mehr. Unser Vorsprung war zu groß.
    Erst als wir die Asphaltstraße erreichten, schaltete ich das Licht ein.
    Judith hatte sich bislang still verhalten, kein hysterisches Schreien, keine Fragen. Jetzt sagte sie: »Schade, daß wir unterbrochen wurden. Wir waren gerade so schön dabei.«
    »Hmm.«
    »Ob das Spanner waren?«
    »Klar, was sonst?«
    »Na ja, du bist so voll auf die zugefahren.«
    »Es gibt Typen unter den Spannern, die äußerst ruppig werden.«
    »Du meinst solche, die den Mann verprügeln und die Frau vergewaltigen?«
    »Hm.« Ich wollte das Thema nicht vertiefen und stellte das Radio an. Grönemeyer sang sein Loblied auf Bochum, wir grölten den Text mit, so zur Entspannung, und bekamen wieder gute Laune.
    Ich lenkte das Cabrio in mein Viertel, stieg dort in meinen Wagen um und fuhr hinter Judith her bis zu ihrer Haustür. Es ging mir darum, sie sicher zu Hause zu wissen, sagte das aber nicht. Sie bot mir an, mit hoch zu kommen, doch ich lehnte ab: »Später, wir haben noch Zeit genug.«
    »Dann hilf mir kurz!« Sie ging um den Wagen, nahm die Schutzhülle vom Verdeck – und schrie. Ihr Schrei bewirkte, daß mir, trotz der lauen Nacht, das Blut in den Adern gefror. Dann griff ich zum Messer. »Eine Schlange!«
    Zweimal entglitt mir das Biest, dann hatte ich ihr den Kopf abgetrennt.
    ›Ihr‹ ist nicht ganz richtig, ›ihm‹ müßte ich sagen, denn im Licht der Straßenlaterne sah ich, daß es ein Aal war.
    Eine Stunde später, ich hatte Judith noch bis zu ihrer Wohnungstür gebracht, lag der Aal in meiner Küche, daneben Omas Kochbuch. Das Schöne an diesem Werk ist, daß es nicht davon ausgeht, die Zutaten schon im vorgefertigten Zustand zu erhalten. Ich las: Im Fisch steht uns ein preiswertes eiweißhaltiges Nahrungsmittel zu Verfügung, das leider heute noch in weiten Kreisen unseres Volkes wenig beachtet und in seinen Vorzügen nicht erkannt wird. Das Kennzeichen guter Fische ist immer der frische, arthafte Geruch, straffe Haut und festes Fleisch, das dem Druck des Fingers elastisch nachgeben muß, ohne daß die Druckstelle lange sichtbar bleibt. Um Fische ausnehmen zu können, schneidet man ihnen den Bauch auf. Man entfernt die Eingeweide, muß aber achtgeben, daß man die Galle nicht verletzt. Will man Fisch oder Aal blau kochen, so darf man ihn nicht schuppen, um den Schleim nicht zu verletzen. Denn die blaue Farbe entsteht durch den Farbstoff und Schleimgehalt der Haut. Aal wird am besten auf einem feuchten Küchenbrett gereinigt und nur innen eingesalzen. Man übergießt ihn mit kochendem Essig und setzt ihn für kurze Zeit der Zugluft aus. Er wird dann weiterbehandelt wie gekochter Flußfisch.
    Das hieß, mit Suppengrün gar ziehen lassen, etwa zwanzig Minuten. Genau die richtige Zeitspanne, um meine Gedanken zu ordnen.
    Daß Fisch preiswert war, stimmte zwar im allgemeinen nicht mehr, in diesem besonderen Fall aber doch. Der Aal war sogar für umsonst, wie man im

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