Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand
Trio lange hinterher. Je näher die Draisine an Åkers Styckebruk kam, umso bedrückter wurde Julius. Eigentlich hatte er gedacht, dass man unterwegs schon an irgendeinem Gewässer vorbeikommen würde, in dem sich die Leiche versenken ließ. Doch nichts dergleichen. Und bevor Julius zu Ende grübeln konnte, rollte die Draisine auch schon auf das Industriegelände des Stahlwalzwerks. Da zog er die Bremse und brachte das Gefährt rechtzeitig zum Stehen. Der Tote kippte vornüber und schlug sich die Stirn an einem Stahlgriff.
»Na, das hätte unter anderen Umständen aber ganz schön wehtun können«, bemerkte Allan.
»Es hat schon seine Vorteile, tot zu sein«, meinte Julius.
Dann stieg er von der Draisine und stellte sich hinter eine Birke, um auf das Gewerbegebiet zu spähen. Die riesigen Tore zur Fabrikhalle standen offen, aber das Areal wirkte einsam und verlassen. Er warf einen Blick auf die Uhr. Zehn nach zwölf. Mittagspause, dachte er. Dann fiel sein Blick auf einen großen Container. Julius erklärte, dass er einen kurzen Erkundungsgang unternehmen müsse. Allan wünschte ihm Glück und bat ihn, sich nicht zu verlaufen.
Die Gefahr war allerdings nicht allzu groß, denn Julius musste nur die dreißig Meter bis zum Container zurücklegen. Er kletterte hinein und verschwand eine knappe Minute aus Allans Blickfeld. Dann kam er heraus. Wieder bei der Draisine angelangt, verkündete er, dass er jetzt wisse, wohin mit der Leiche.
Der Container war zur Hälfte gefüllt mit einer Art zylindrischer Objekte von gut einem Meter Durchmesser und drei Metern Länge. Jedes war in eine einzelne Holzkiste verpackt, mit einer Öffnung an der kurzen Seite. Allan war völlig erschöpft, als sie den schweren Leichnam endlich in einem der innersten Zylinder verstaut hatten. Doch als er den Holzdeckel zuklappte und den Bestimmungsort las, besserte sich seine Laune gleich wieder.
Addis Abeba.
»Der kann sich ja noch ganz schön in der Welt umgucken, wenn er die Augen offen hält«, meinte Allan.
»Beeil dich, alter Mann«, gab Julius zurück. »Hier können wir nicht bleiben.«
Die Operation war gelungen, und die beiden Alten konnten wieder hinter den Birken in Deckung gehen, bevor die Mittagspause um war. Sie setzten sich für eine kurze Verschnaufpause auf die Draisine und warteten, bis auf dem Industriegelände die Arbeit wieder in Gang kam. Der Container wurde bis obenhin mit weiteren zylindrischen Objekten gefüllt und abgeschlossen, gleich darauf der nächste Container geholt und beladen.
Allan fragte sich, was hier überhaupt hergestellt wurde. Julius wusste zu berichten, dass dies ein Werk mit Geschichte war. Hier hatte man schon im 17. Jahrhundert Kanonen gegossen und an all die geliefert, die im Dreißigjährigen Krieg effizienter töten wollten.
Allan fand es eigentlich unnötig, dass sich die Menschen im 17. Jahrhundert gegenseitig umbrachten, wo sie bei Lichte besehen doch sowieso irgendwann sterben mussten. Julius antwortete, das gelte für alle Zeitalter, und überhaupt werde es höchste Zeit, dass sie die Pause beendeten und sich entfernten. Er wollte noch das kurze Stück bis nach Åkers hineinfahren und dort weitersehen.
* * * *
Kommissar Aronsson sah sich in dem alten Bahnhofsgebäude in Byringe um, fand aber nichts Interessantes, abgesehen von den Pantoffeln, die eventuell dem Hundertjährigen gehörten. Er wollte sie mitnehmen, um sie dem Personal im Altersheim zu zeigen.
Na ja, und dann waren da noch ein paar Wasserflecken auf dem Küchenboden, die zu einem Kühlraum mit ausgeschaltetem Generator und offener Tür führten. Aber das war freilich keine nennenswerte Spur.
Stattdessen fuhr Aronsson also nach Byringe weiter, um die Einwohner zu befragen. In drei Häusern traf er jemanden an, und alle drei Familien gaben zu Protokoll, dass Julius Jonsson im ersten Stock des Bahnhofsgebäudes wohnte, dass er ein Dieb und Betrüger war, mit dem keiner etwas zu tun haben wollte, dass aber niemand seit dem Vorabend etwas Auffälliges beobachtet hatte. Doch dass Julius Jonsson grundsätzlich in irgendwelche zwielichtigen Machenschaften verwickelt war, das erachtete man für selbstverständlich.
»Sperrt ihn ein«, verlangte der wütendste der Nachbarn.
»Wofür denn?«, erkundigte sich der Kommissar matt.
»Dafür, dass er mir nachts immer die Eier aus dem Hühnerhaus klaut, dass er letzten Winter meinen nagelneuen Tretschlitten gestohlen, ihn umlackiert und dann behauptet hat, es wäre seiner, dafür,
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