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Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Titel: Der Hundertjaehrige der aus dem Fenster stieg und verschwand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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keine dumme Idee, wenn er sich die Sache mal aus der Nähe ansah. Vielleicht würden unterwegs ja sogar ein, zwei Neger dabei herausspringen?
    Als Estebán ihm versprach, dass sie auf dem Weg nach Spanien mindestens einen Neger treffen würden, konnte Allan nicht Nein sagen. Daraufhin machten sich die Freunde an die praktischen Überlegungen. Dabei kamen sie rasch zu dem Schluss, dass der Fabrikant (wie sie es ausdrückten) »ein mieser Schuft« war, der keinerlei Rücksichten verdiente. Also verabredeten sie, noch die nächste Lohntüte abzuwarten und sich dann heimlich, still und leise davonzumachen.
    So kam es also, dass Allan und Estebán am nächsten Sonntag um fünf Uhr morgens aufstanden, um mit einem Fahrrad mit Anhänger gen Süden aufzubrechen, Richtung Spanien. Unterwegs wollte Estebán noch am Haus des Fabrikbesitzers anhalten, um seine komplette morgendliche Notdurft in der Milchkanne zu hinterlassen, die in aller Frühe geliefert und vor dem Grundstückstor abgestellt wurde. Als Grund gab er an, dass der Fabrikant und seine beiden Söhne ihn jahrelang als »Affen« gehänselt hätten.
    »Rache ist nicht gut«, verkündete Allan. »Mit der Rache geht es wie mit der Politik, da gibt auch eins das andere, bis das Schlechte zum Schlechteren geworden ist, und das Schlechtere zum Allerschlechtesten.«
    Doch Estebán gab nicht nach. Nur weil man behaarte Arme hatte und die Sprache des Fabrikanten nicht so toll sprach, war man doch wohl noch lange kein Affe?
    Da musste Allan ihm zustimmen, und so einigten sich die Freunde auf einen Kompromiss: Estebán durfte in die Milchkanne pissen , aber nicht kacken.
    So kam es also, dass die Gießerei in Hälleforsnäs statt zwei Sprengstofftechnikern plötzlich gar keinen mehr hatte. Zeugen hatten dem Fabrikanten noch am selben Morgen hinterbracht, dass Allan und Estebán mit Fahrrad und Anhänger auf dem Weg nach Katrineholm waren oder vielleicht sogar ein noch weiter im Süden gelegenes Ziel ansteuerten. Daher war der Unternehmer immerhin auf den bevorstehenden Personalmangel vorbereitet, als er am Sonntagvormittag auf der Veranda seiner Villa saß und nachdenklich an dem Glas Milch nippte, das Sigrid ihm freundlicherweise mit etwas Mandelbiskuit serviert hatte. Seine Laune sackte noch weiter in den Keller, als er zu dem Schluss kam, dass mit den Biskuits irgendetwas nicht in Ordnung war. Die schmeckten ganz eindeutig nach Ammoniak.
    Der Fabrikant beschloss, bis nach dem Gottesdienst zu warten, dann würde er Sigrid die Ohren langziehen. Aber erst bestellte er sich noch ein Glas Milch, um sich den widerlichen Geschmack aus dem Mund zu spülen.
    * * * *
    Und so landete Allan Karlsson in Spanien. Drei Monate waren sie quer durch Europa unterwegs, und dabei traf er mehr Neger, als er sich jemals hätte träumen lassen. Allerdings hatte er schon nach dem ersten das Interesse verloren. Wie sich herausstellte, lag der einzige Unterschied in der Hautfarbe – abgesehen davon, dass sie sich allesamt seltsamer Sprachen bedienten, aber das machten Weiße ja auch. Man denke nur an die Bevölkerung in Småland oder in den ganz südlichen Regionen Schwedens. Diesen Lundborg musste in seiner frühen Kindheit wohl mal ein Neger erschreckt haben, anders konnte Allan es sich nicht erklären.
    Als sein Freund und er schließlich Spanien erreichten, fanden sie das Land im Chaos vor. Der König war nach Rom geflohen, jetzt hatte man eine Republik ausgerufen. Die Linke schrie revolución , während das rechte Lager von den Geschehnissen im stalinistischen Russland erschreckt wurde. Würde es hier am Ende genauso aussehen?
    Im ersten Moment vergaß Estebán völlig, dass sein Freund heillos unpolitisch war, und versuchte, Allan mit dem revolutionären Geist anzustecken. Doch der sträubte sich wie gewohnt. Er hatte das alles schon in seiner Jugend zu hören bekommen, und es wollte ihm immer noch nicht in den Kopf, warum sich die Leute ständig wünschten, dass alles genau umgekehrt sein sollte.
    Es kam zu einem missglückten Militärputsch der Rechten, gefolgt von einem Generalstreik der Linken. Dann wurde gewählt. Die Linken gewannen, die Rechten waren beleidigt – oder war es andersrum? Allan wusste es nicht genau. Auf jeden Fall gab es am Ende Krieg.
    Allan fiel in diesem fremden Land nichts Besseres ein, als sich immer einen halben Schritt hinter Estebán zu halten. Dieser ließ sich anwerben und wurde sofort zum Feldwebel befördert, als der Zugführer merkte, dass Estebán wusste,

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