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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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klingelten, die Geschäfte florierten. Der ganze Rummel, das konnte man den farbenprächtigen Prospekten der Société entnehmen, würde noch zwei Jahre dauern. Na und? Dann stand Port Les Fleurs , und es ging erst richtig los. Mit Port Les Fleurs war Saint-Michel dabei, sich zu einer Goldmine zu entwickeln.
    »Und ich pfeif drauf!« schrie Raoul Farnet. Er stand da und starrte alle an. Jeden einzelnen. »Der alte Pascal hatte recht. Was bleibt uns von der ganzen Kohle? Nichts. Wer arbeitet denn auf der Baustelle? Nicht nur halb Afrika, sondern Typen aus Marseille, Toulon oder was weiß ich. Der arme Pascal hat es gewußt. ›Und wer kriegt den Zaster? Le Coq und der Deutsche! Ihr werdet noch an mich denken‹, hat Pascal gesagt. ›Ihr werdet euch nach den alten Zeiten zurücksehnen.‹ Und er hat jetzt schon recht …«
    Seit Pascal Lombard tot war, hatte keiner so etwas riskiert. Raoul Farnet aber knallte die Faust auf den Tisch, daß die Gläser tanzten.
    Unglaublich!
    Der Tisch war der Ecktisch im Grand Nice. Das Nice wiederum war an Sonntagen wie diesem das eigentliche Zentrum von Saint-Michel. Das war es schon deshalb, weil es dem Gemeindehaus und der Kirche gegenüber stand und sich hier der größte Versammlungssaal für die Wahlkämpfe oder die Sportvereinsfeste befand.
    An den Ecktisch der Gaststube des Grand Nice paßten zwölf Leute. Die Stühle waren alle besetzt. Die Männer in ihren Sonntagsanzügen nickten feierlich, während Farnet ohne Hemmungen weiterbrüllte: »Wir alle hatten doch Tomaten auf den Augen! Es reicht ihnen ja nicht, uns auszunehmen wie die Weihnachtsgänse. Die wollen auch noch Leichen! Das sage ich euch! Die kleine Nicole wird nicht die letzte sein!«
    Hinter dem Tresen der Theke beugte sich Valier, der Wirt des Nice, nach vorn und strich mit dem Spachtel sorgsam Schaum von den Gläsern. Er tat es mit der rechten Hand, den Daumen der linken benutzte er dazu, auf einen unscheinbaren schwarzen Knopf zu drücken, der unter der Bierleitung angebracht war. Er schaltete ein Tonbandgerät ein.
    Valier stammte aus Marseille. Seine Großeltern waren korsische Einwanderer. Valier war lang, dünn, hatte ein dunkles hageres Gesicht und eine wie mit dem Messer geschnittene scharfe Nase. Dazu kamen seine langen häßlichen Ohren, über die gewöhnlich grauschwarze fettige Locken fielen. Das war praktisch. Niemand konnte den kleinen elektronischen Hörknopf erkennen, den Valier in der linken Ohrmuschel trug, und niemand in dem ganzen überfüllten Raum konnte auch wissen, daß die Hörmembrane des Knopfes mit den Mikrofonen verbunden war, die, unsichtbar unter der Holzdecke verteilt, die Gespräche an der Theke wie auch an jedem Tisch empfingen.
    Im März vor zwei Jahren, als es mit den Bauarbeiten anfing, war Leo, der Bretone, gekommen. »Du brauchst 'ne neue Holzdecke. Das macht sich besser, Alter. Und ich bau sie dir ein …«
    Das war keine Anregung und schon gar keine Bitte gewesen, sondern ein glatter Befehl.
    Nun gab es diese neue Decke.
    Und was den Ecktisch anbetraf – Valier brauchte sich keine Sorgen über den Empfang zu machen, denn Farnet brüllte weiter, so laut, daß Valier sich nochmals nach vorn beugte, um den Ton etwas zurückzunehmen.
    Mein lieber Mann, wenn Leo das hört! dachte Valier. Was, zum Teufel, ist hier eigentlich los? Und was ist das bloß für ein Tag? Was ist in Farnet gefahren?
    Und noch etwas dachte Valier: Der redet sich um Kopf und Kragen. Das kann Leo sich nicht gefallen lassen. Und der Deutsche schon gar nicht … Und wenn ich auch noch an Le Coq denke – Madonna!
    Kein Mensch wagte einen Ton im Raum. Alle starrten zu Farnet hinüber, der sich erhoben hatte, die Fäuste auf den Tisch gestemmt, das runde Gesicht gerötet, die Augen voller Schmerz und Haß.
    »Das sind doch Mörder.« Diesmal schrie er nicht. Er sagte es ganz ruhig. »Und wir wissen das schon lange. Nur meine kleine Nicole hat es nicht gewußt. Wer, verdammt noch mal, denkt bei uns noch an die Kinder?«
    Es reichte, Valier schaltete ab. Er gönnte sich einen Cognac, und dieses Mal sah er nicht hinüber zum Ecktisch, sondern zu dem kleinen Vierertisch rechts am Eingang. Dort hatten sie gesessen: Fabien Lombard, Charlie Benoît und Fabiens Freundin Régine.
    Sie hatten das gleiche gesagt: »Das sind doch alles Mörder. Und wir kriegen sie dran!« Ja, das hatten sie gesagt, nur ganz, ganz leise, doch das Mikrofon hatte auch ihre Stimmen aufgenommen. Auch das, was sie über diese merkwürdigen

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