Der Hypnosearzt
Motoryacht, die Thomas im Frühjahr verkauft hat. Auch in der Villa Wilkinson hab ich ihn zwei- oder dreimal gesehen.«
»Ein Geschäftsmann?«
»Was heißt Geschäftsmann – einer von Thomas' Partnern bei dem Port-Les- Fleurs -Projekt. Ein grauenhafter Typ. Zum Abschießen.«
»Aber du sitzt neben ihm, wenn Geschäfte gemacht werden. Ist es nicht so?«
»Thomas verlangt sehr wenig von mir. Das habe ich dir ja erzählt. Und wenn er mich dann mal um einen Gefallen bittet, tu ich das.«
»Und worin besteht der Gefallen? Darf ich dich das auch noch fragen?«
»Das kannst du. Ich weiß nur nicht, ob ich dir antworten soll. Und vor allem weiß ich nicht, warum ich mir das alles anhöre!«
»Gleich, Maria. Worin besteht der Gefallen?«
»Thomas will, daß ich die Leute auf ihre Reaktionen hin beobachte. Und daß ich mir auch merke, was zwischen ihnen abläuft. Er will wissen, wo sich gegen ihn Fronten bilden und wo für ihn eine Möglichkeit besteht.«
»Und manchmal kommen ihm auch deine Sprachkenntnisse zugute, nicht wahr.«
Ihr Gesicht war noch immer gebräunt von der Sonne der Côte … Nun hatten sich helle Inseln auf der Haut gebildet. Und ihr Mund wurde sehr schmal. »Was soll das jetzt wieder, Himmelherrgott?«
»Das könnte doch praktisch sein, vor allem bei Leuten, die sich sicher sind, daß man ihre Sprache nicht versteht – und die sich dann täuschen, wenn eine Maria Lindner bei ihnen am Tisch sitzt.«
Sie schloß die Augen. Die Finger ihrer rechten Hand zogen sich zusammen und streckten sich ganz langsam wieder. Stefan faßte nach der Hand; sie war kühl und steif.
»Es ist nicht angenehm, diese Fragen zu stellen, Maria. Es ist mir peinlich. Aber ich mußte es dir sagen. Vielleicht war es nicht der richtige Weg, aber …«
»Sagen? Ich verstehe nicht, was du sagen willst …«
»Du wolltest doch wissen, warum ich damals Hals über Kopf aus Saint-Michel abgereist bin?«
»Ja.«
Er erzählte von dem Morgen, als er Thomas gesucht hatte und durch Zufall in den Überwachungs- und Abhörraum der Villa Wilkinson geraten war. Maria schwieg, und Stefan ertrug ihr abgewandtes, verschlossenes, stilles Gesicht nicht länger. Er legte den Arm um ihre Schulter und versuchte sie an sich zu ziehen, aber er spürte nur Widerstand.
»Maria!«
»Alles das ist Thomas' Welt.« Sie sagte es gegen die Windschutzscheibe. »Und du weißt das. Es ist die Welt der Geschäfte, die Welt des Geldes oder wie man es nennen will. In jedem Fall ist es die Welt der Männer. Hätten Frauen zu bestimmen, würde es das alles nicht geben. Keine Waffen, keine Drogen oder sonst was.«
Sie machte sich frei. Ihre Unterlippe zitterte. »Gerade du weißt das. Einer wie du weiß, daß ich recht habe.«
»Ja.« Er nickte. »Ich weiß es.«
»Na also.«
Sie schwiegen. Er holte die Zigaretten hervor und bot ihr eine an. Sie schüttelte den Kopf. Er zündete seine an und sog den Rauch in die Lungen.
»Deshalb hast du dich nicht mehr gemeldet, Stefan? Deshalb wärst du auch nie mehr nach Saint-Michel gekommen?«
»Vielleicht. Wahrscheinlich. Aber das ist vorbei …«
»Was ist vorbei?«
»Für mich gibt's nicht Saint-Michel, nur Le Castelet «, sagte er langsam. »Nach heute nacht sowieso.«
Sie lehnte sich an seine Schulter. »Das ist auch ein guter Ort, und ich bin froh darum. Ich will dich wiedersehen … Aber was Thomas angeht – alles, was du da gerade erzählt hast, diese ganzen sonderbaren Geschäfte …«
»Wären es nur Geschäfte!«
»All das ist nur die eine Seite von Thomas. Nenn es seine dunkle Seite – von mir aus. Und ich weiß, sie ist nicht nur dunkel, sie ist auch gefährlich …«
»Das hast du schon einmal gesagt. Gefährlich?«
»Frag mich nicht. Aber es gibt auch den anderen Thomas. Den Mann, der kreativ und begeisterungsfähig ist – und treu. Er kann loyal sein wie kein zweiter. Er steht zu denen, die er liebt. Er redet nur noch von der Klinik, von ›Stefans Klinik‹. Der Bau ist schon ziemlich weit fortgeschritten, du wirst staunen. Und wenn er von der Klinik redet, redet er von dir. Er wartet darauf, daß du ihm Ratschläge gibst, ihm sagst, wie er sie einrichten soll. Und außerdem hofft er noch immer, daß du sie führen wirst. Du weißt: Er gibt niemals auf. Ein paar Tips könntest du ihm wenigstens geben.«
Er schwieg. Er fand keine Antwort.
»Kommst du, Stefan?«
»Nach Le Castelet ?« Er strich mit dem Zeigefinger über ihre Stirn.
»An die Côte …«
»Ja, ich glaube schon.«
»Das
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