Der Hypnosearzt
Fotos erzählten …
Sie hatten in ihrem Zimmer mit dem Blick auf die Ponys eine leichte Mahlzeit zu sich genommen. Im Schloßgut gab es zwar einen Speisesaal, doch sie wollten allein sein.
Die Sonne schien wieder und ließ die in Feuchtigkeit gebadeten Wiesen glitzern. Sie hatten ausgiebig das Bad benutzt; Maria amüsierte sich über ihr verdrücktes, vom Wald beschmutztes Kleid, rieb den Fingerknöchel an Stefans Bartstoppeln und brachte es tatsächlich fertig – und das mit atemberaubend gewinnender Fröhlichkeit –, sich zur Rechnung auch noch ein paar Damenturnschuhe, Größe 37, aufs Zimmer bringen zu lassen. Sie waren weiß und hatten einen roten Rand.
»Und von wem stammen sie?« erkundigte sie sich bei dem jungen Mann, der sie gebracht hatte.
»Frau von Wedel, die Chefin, läßt sie Ihnen schicken. Mit ihren besten Komplimenten.«
»Wie reizend. Ich schicke ihr einen Kuß. Und den bringen Sie ihr auch sofort.«
Sie steckte dem Jungen, der plötzlich einen feuerroten Kopf bekam, einen Fünfzig-Franc-Schein in die Westentasche, legte ihre Kreditkarte zur Rechnung und öffnete ihm die Tür. Nach fünf Minuten war er zurück – mit einer Rose in der Hand …
»Zum Abschied, Madame …«
Es war jetzt vierzehn Uhr dreißig. Sie wird in einer Stunde in ihrer Frankfurter Wohnung sein, dachte Stefan.
Wie schafft sie das nur, dachte er weiter. Wie schafft sie es, so hinreißend zu sein, während ich mich so mies fühle? Der Wagen glitt über die Straße in Richtung Westen. Bad Ems stand auf den Hinweisschildern. Von dort nach Burgach waren es nicht mehr als zwanzig Minuten.
Und dann? Bergmann betrachtete Maria von der Seite. Sie fuhr schnell und konzentriert. Wieso hatte sie es so eilig? Kam Thomas früher zurück?
Er schloß die Augen. Wie war das noch: »Eifersucht ist nichts anderes als Schmerzverdrängung …« War er im Begriff, in die Falle zu geraten, die er sonst so exakt beschrieb? Gab es nicht eine viel gefährlichere Falle – den Selbstbetrug der Illusion?
Die ganze Zeit, auch in der Nacht, hatte Stefan die Absicht gehabt, mit Maria zu sprechen, ihr zu sagen, was damals am letzten Tag seines Aufenthalts in Saint-Michel geschehen war. Es konnte die letzte Chance sein.
»Maria? Hast du den Namen Tumaco schon einmal gehört?«
»Wie?« Sie warf ihm einen halb desinteressierten Blick zu. »Wie heißt das?«
»Tumaco.«
»Und was soll das sein?«
»Das ist eine Stadt in Kolumbien …«
»Wieso soll ich mich dort auskennen?«
»Es war nur eine Frage.«
Sie schüttelte lächelnd den Kopf: »Willst du dorthin?«
»Thomas war dort, nicht wahr? Und noch ein Name, Maria: Stolypin? Der Mann ist Generalmajor oder so etwas ähnliches …«
Nun drehte sie ganz den Kopf. »Worauf willst du eigentlich hinaus? Mein Gott, was sind denn das für komische Fragen?«
»Sag ich dir nachher, Maria. Dieser Stolypin scheint einer der ganz speziellen Freunde zu sein, die Boris Borodin in der russischen Armee hat. Boris zahlt Geld, Schmiergeld, Stolypin liefert Waffen.«
»Ach nein?« Es kam ziemlich desinteressiert. »Woher hast du das? Und was hab ich damit zu tun?«
»Nun ja, die Waffen gingen nach Kolumbien. Sie gingen zur größten Guerillaorganisation, die es dort gibt. Ich hab mich da ein bißchen erkundigt. Die Organisation heißt FARC. Diese Leute von der Befreiungsfront oder wie sie sich nennen, führen seit zwanzig Jahren Krieg gegen die Regierung. Das Resultat sind dreihunderttausend Tote.«
»Wirklich? Aber …«
»Boris hat ihnen zweitausend Tonnen Waffen geliefert. Zweitausend Tonnen, Maria! Nicht nur Munition und Kalaschnikows, auch schweres Gerät, Panzerabwehrraketen oder so was. Ich kenn mich da nicht aus.«
Sie fuhr langsamer, dann steuerte sie den Wagen auf den Standstreifen am Straßenrand, hielt an, schaltete den Motor aus, drehte sich zu ihm und starrte Bergmann an.
»Die Waffen wurden mit Drogen bezahlt. Ist dir das bekannt?«
»Ich hab dich was gefragt, Stefan.«
»Ich dich auch … Kennst du einen Mann namens Le Coq .«
Sie schwieg.
Auf der Straße fuhren Autos vorbei, drüben auf dem Feld zog ein Bauer mit dem Traktor seine Egge – und Maria sah Bergmann nur an, wog den Kopf hin und her, langsam, enttäuscht, nichts als wütenden Vorwurf in den Augen.
»Was ist das? Eine Art Verhör?«
»Nein. Aber es ist wichtig für mich. Le Coq ?« wiederholte er.
»Gut. Wenn es für dich so wichtig ist, den kenn ich.«
»Wie lange.«
»Zwei Jahre vielleicht. Er war auf dieser
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