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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ziemlich groß – an die dreitausend Quadratmeter.
    »Setzen Sie sich, Mademoiselle.« Die Hornbrille war wie umgewandelt. Der Kerl hatte ihr sogar eine Zigarette angeboten, doch dann ging's los. Nach den Quittungen und Dokumenten, die sie vorgelegt habe, sei es durchaus möglich, daß der verstorbene Pascal Lombard – er möge in Frieden ruhen – sich als Besitzer des Grundstücks gefühlt habe, schließlich sei von ihm ja auch eine Zahlung geleistet worden. »Doch leider, leider, Mademoiselle, so einfach liegen die Dinge nicht …«
    Dann kam es: Die Nummer 29.001 sei nicht etwa das alleinige Eigentum des damaligen Verkäufers Monsieur Foulier gewesen, o nein, sie stehe in Familienbesitz! »Monsieur Foulier konnte also gar nicht verkaufen. Es liegt nämlich keine Einwilligung der anderen Erben vor.« Die seien bereits vor dem Zweiten Weltkrieg nach Kanada ausgewandert …
    »In solchen Fällen jedoch, Mademoiselle …« Der Hornbrillen-Mensch schlug das dicke Buch, das die Kartenblätter enthielt, wieder zu. »In solchen Fällen – und glauben Sie mir, es tut mir leid, das sagen zu müssen, besonders wenn ich an den armen Fabien denke, der schließlich schon genug getroffen ist –, aber in solchen Fällen fällt das Land nach einer gewissen Frist an die Gemeinde zurück. Das ist Gesetz. Und die Frist ist verstrichen.«
    »An die Gemeinde? – Ja, wieso wird dann dort am Col wie verrückt gebaut?«
    »Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Die Gemeinde steckt in finanziellen Schwierigkeiten, wie Sie vielleicht wissen. Was hat sie also getan? Sie hat die Nummer 29.001 an die Société Port Les Fleurs verkauft. Zu einem guten, einem sehr guten Preis sogar.«
    Régine konnte ihm nicht ins Gesicht spucken. Sie konnte ihn nicht anschreien, konnte nicht sagen, daß das alles nichts war als Schiebung, Betrug und Schwindel. Sie konnte nur eines: sich umdrehen und gehen.
    Sie brauchte drei Tage, bis sie den Mut hatte, Fabien von allem in Kenntnis zu setzen.
    Er schwieg lange. Und als er doch etwas sagen wollte, brachte er die Worte nicht heraus. In der Nacht aber hatte er eine seiner Krisen, seine schlimmste: Er wälzte sich im Bett herum, zerknüllte Kissen und Decken, richtete sich auf, schlug den Kopf gegen die Wand, bis die Stirn blutete und er dann schweißgebadet und zitternd zusammenbrach. Die ganze Zeit aber quollen diese fürchterlichen Laute aus seiner Kehle, tobende, knurrende, heisere Töne wie die Klage eines wilden Tieres.
    Seit dieser Nacht gingen er und Régine jede Woche zwei-, dreimal hoch zum Col.
    Sie setzten sich an den Hang, ziemlich nahe des Felsens, an dem, so erklärte Fabien, sein Vater immer hielt, wenn er vom Dorf zurückkam, um über die Bucht und das Meer zu sehen. Dort saßen sie dann viele Stunden lang. Manchmal ertrug Régine das nicht mehr, das Schweigen, die Traurigkeit, die von Fabien ausging, aber sie blieb.
    Sie saßen und hatten all das Hämmern der Bauarbeiten in den Ohren, blickten auf die Maschinen und die Menschen, die den Hang eroberten, langsam und unaufhaltsam. Mauern wuchsen, Straßen durchschnitten die Erde.
    Die Brandfläche lag noch unberührt. Es gab niemanden, der sie Fabien streitig gemacht oder ihm auch nur ein Angebot unterbreitet hatte. Was konnte das schon bedeuten? Nichts.
    Sie saßen da, Fabien so steinern und ungerührt wie der Fels. So blickte er auch auf das Gewühl, auf die schweren Hämmer, die Löcher in den Boden rammten, in denen die Betonträger versenkt wurden, auf Bauskelette, Ziegelmauern, Schaufelbagger, Lastwagen.
    Sprechen konnte er nicht … Was hätte es auch genützt bei diesem Krach? Der Himmel stand leuchtend und fern über dem Meer und hatte mit alldem nichts zu tun …
    Doch heute war es mit Fabiens eisiger Ruhe vorbei. Kaum waren sie am Col, hatte er sich nach einem Stein gebückt, um ihn mit hochrotem, verzerrtem Gesicht gegen einen der geländegängigen Transporter zu schliddern, die dort unten zwischen den letzten Eichenstümpfen herumkrochen …
    »Mörder! Ich bring euch um – alle! Ihr Dreckschweine, ihr Mörder …«
    Den Stein sah keiner fliegen. Die Männer hörten Fabien auch nicht, nur Régine, und sie durchflutete Freude.
    Fabien hatte gebrüllt! Er hatte die Leute ›Mörder‹ genannt, obwohl die nichts dafür konnten … Die Mörder waren woanders …
    Aber das war nicht wichtig. Wichtig war nur eines: Fabien hatte nicht nur jedes Wort klar und ohne ein Stottern hinausgebrüllt – er hatte auch seine Stimme wieder, die

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