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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu fehlen.
    Stefan hatte sich sein Behandlungskonzept zurechtgelegt. Während der Fahrt von Le Castelet zur Villa Wilkinson durch einen strahlenden provenzalischen Herbst hatte er schließlich genügend Zeit dazu. Außerdem, es waren ja immer die gleichen drei Dinge, die über den Erfolg entschieden: die Suggestibilität des Patienten, dann der Rapport, die Verbindung die Bergmann während der Hypnose zu ihm knüpfen konnte, und vor allem das eigene Können, die Fähigkeit, sich in die Persönlichkeitsstruktur, in die Probleme und Reaktionsvarianten des anderen einzufühlen.
    Das klang einfach. Doch in diesem Fall? Bei einem Thomas Lindner? Und dazu noch in der Lage, in der sie sich alle befanden …
    Bergmann war nicht nervös, aber Unbehagen, ja, eine Art Beklemmung fühlte er schon, bis er sich schließlich sagte, daß er gute Voraussetzungen vorfand: Schon vom Typ her schien Lindner für eine Hypnose geeignet. Wie hatte Maria gesagt?
    »Er hat eine geradezu feminine Einfühlungsgabe. Er ist so übersensibel, wie es eigentlich nur eine Frau sein kann. Er spürt einfach alles …« Nun, sollte er. Längst war es Bergmann klargeworden: Lindner war ein extremer ›Rechts-Typ‹. Wenn Stefan je einem begegnet war, dann ihm …
    Das Zusammenspiel der beiden Gehirn-Hemisphären, der rechten und der linken, gehörte zu den Funktionen des Bewußtseinsprozesses, die Stefan Bergmann seit jeher am meisten interessiert hatten: Die rechte Gehirnseite als Hort der gefühlsbetonten, der schöpferischen und kreativen Einfälle, das Instrument der Künstler, Musiker, Erfinder, aber auch der Gefühle. Und dann als Gegenpart die linke Seite, die Kontrolle, Vernunft, Pragmatismus und das analytische Denken regelte.
    »Rechts- oder Links-Typ …« Dieses sonderbare Kürzel gehörte seit langem zum Jargon von Analytikern, Therapeuten und Psychologen. Doch genauso häufig hörte man es indessen in den Personalabteilungen der Konzernzentralen, wenn es darum ging, irgendwelche ›Leistungsträger‹ auf ihre Fähigkeiten durchzutesten.
    An einem Thomas Lindner hätten sie ihre helle Freude gehabt. Wenn etwas in Chefetagen verlangt wurde, dann war es, daß sich beide Seiten als ausgeprägt erwiesen. Doch genauso entscheidend blieb das Zusammenspiel zwischen Rechts und Links: der Hochbegabte oder das Genie – na, wunderbar! Aber zeigte sich ein Mensch nur rechtslastig, dann versackte leicht alles Talent in hoffnungslosem Chaotentum. Klappte allerdings der Dialog, wurde die Begabung durch Nüchternheit kontrolliert, dann hieß es: »Das ist unser Mann. Den nehmen wir.«
    Es gab auch andere Fälle. Es gab sie bei Menschen, bei denen dieser Dialog zum Streit geriet. Dann nämlich, wenn die linke Seite das Potential der rechten zu unterdrücken versuchte. Und das konnte eine Persönlichkeitszersplitterung zur Folge haben, die sich in eiskalter Härte und Brutalität ausdrückte. Diese Kälte, mit der Lindner damals auf den Tod seines Chauffeurs reagiert hatte! Die schmutzigen Waffengeschäfte!
    Stefan hatte den kleinen Tisch mit der Lampe erneut umgestellt. Er hatte ihn näher ans Bett getragen und den Schirm so gedreht, daß das Licht ihn, den Hypnotiseur, aus dem Dunkel holte. Er hatte eine Trance-Induktion durch die Fixations-Methode gewählt und hielt den silbernen Drehbleistift, den er für seine Notizen und Rezepte bei sich trug, zwischen Daumen und Zeigefinger.
    Er tat die drei Schritte, die ihn von Lindners Bett trennten.
    Lindner hatte sich auf den Ellbogen aufgerichtet. Die Schmerzen verzerrten das leicht angeschwollene Gesicht, die Augen waren krampfhaft geschlossen, so daß nur zwei von wulstigen Lidern umrahmte dunkle Striche zu sehen waren.
    Stefan beugte sich zu ihm, schob die Pyjamajacke etwas auf.
    Lindner zuckte zusammen.
    »Nichts, Thomas, gar nichts … Ich berühre dich nur mit der Hand, ganz vorsichtig, ganz zart, zart wie eine Mutter – spürst du das?«
    Lindner atmete rasch.
    »Ich sage dir das, Thomas, damit du auch die nächste Berührung empfindest wie ein Streicheln. – Das ist es ja auch – ein Streicheln, das dir guttun, dich bald frei machen wird … Hörst du?«
    Wieder erwiderte Lindner nichts. Die krampfhafte Kopfbewegung sollte wohl ein Nicken sein. Die Schmerzen hielten ihn im Griff.
    Stefan nahm den Bleistift und setzte ihn auf Lindners Haut, leicht, aber doch so, daß Thomas die Spitze spüren mußte.
    »Tut gar nicht weh, nicht wahr? Eigentlich ist es ganz angenehm, oder?«
    »Ja.«
    Bergmann zog den

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