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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wollte den Verletzten auf den Boden drücken, doch dessen Körper verspannte sich. Das Adrenalin in dem Kreislaufmittel oder der eigene Wille des Mannes – irgend etwas begann zu wirken, denn der keuchende Atem wurde heftiger, der Blick klar, und die Pupillen zogen sich zusammen.
    »Wer sind …«
    »Ich bin Arzt. Hören Sie, der Rettungswagen muß gleich da sein. Das einzige, was Sie jetzt zu tun haben, ist, ruhig zu bleiben, bis er kommt.«
    »Ruhig? Na schön, ruhig … Bloß wie? Ich … ich hab da ein Problem …«
    »Das einzige Problem, das Sie haben, ist, von hier weg und in ein Krankenhaus zu kommen.«
    Der Mann atmete heftiger, doch die Augen schlossen sich. Sein Körper schien sich zu entspannen. Er begann wieder zu sprechen, aber die Worte waren so leise, daß Bergmann sein Ohr näher an das Gesicht bringen mußte.
    »Es ist wichtig … wichtig … Verstehen Sie?«
    »Nein.«
    »Mein Aktenkoffer«, vernahm Stefan. »Da sind Papiere drin, sehr wichtige Papiere. Im Wagen.«
    »Die habe ich gesehen. Die Papiere sind rausgeflogen.«
    »Auch das noch …«
    »Hören Sie, das Unfallkommando wird das alles für Sie erledigen.«
    »Nein!« Diesmal kam es ganz scharf und mit einer geradezu unglaublichen Kraft.
    »Bleiben Sie bloß ruhig«, sagte Bergmann. »Regen Sie sich nicht auf.« Er sagte es mit aller Energie, die er noch aufbringen konnte. Er fühlte Übelkeit in sich aufsteigen und Schwäche.
    »Tun Sie das. Bitte …«
    Er konnte die Worte kaum verstehen.
    »Bitte!«
    »Schön«, sagte Bergmann ergeben, »ich werde es versuchen …«
    Aus der Ferne, aus der Tiefe des Tals erklang das Heulen eines Martinshorns.
    »Bitte«, flüsterte der Verletzte wieder. »Bitte … Sie tun es, nicht wahr? Sie … Sie sehen aus wie ein Mensch.«
    Dann kippte sein Kopf zur Seite …
    Er war fertig.
    Er blieb stehen und hielt sich am Geländer fest. Es war wie das Gefühl in der Achterbahn, wenn am höchsten Punkt der Wagen kippt und es nach unten geht und der Magen hochkommt und dir die Luft abdrückt.
    Er hatte kalten Schweiß auf der Stirn, aber den Koffer hielt er noch immer in der Hand, diesen bescheuerten Koffer, der so wichtig war, daß seinen Besitzer nicht einmal die Chauffeursleiche am Steuer seines zertrümmerten Jaguars interessierte.
    Stefan hielt sich fest, legte den Kopf in den Nacken und starrte nach oben, dorthin, wo wieder die Sterne zu sehen waren, und spürte das Zittern in den Knien. Ja, er war fertig, fix und fertig …
    Die letzten Stufen zur Haustür noch … Nach dem Schlüssel brauchte er nicht zu suchen, die Außenbeleuchtung flammte auf, die Tür öffnete sich, und da stand sie.
    »O Gott, Stefan! Mein Armer! …«
    Es war das zweite Mal an diesem Abend, daß Christa das sagte, und im allgemeinen war sie nicht so schnell voller Mitleid.
    Ihr Gesicht konnte Stefan nicht sehen. Sie stand im Gegenlicht, eine Silhouette, hart abgegrenzt, wie aus schwarzem Papier geschnitten.
    Sie nahm ihm den Koffer ab und hob ihn hoch.
    »Was ist denn das?«
    »Erklär ich dir später …«
    »Sieht ziemlich kaputt aus. Und das Laub daran … Wo hast du deinen Arztkoffer?«
    »Im Auto.«
    »Warum denn das?«
    Er holte Luft, doch Christa winkte ab.
    »Erzähl mir alles nachher. Die Roulade steht schon auf dem Tisch. Und wenn sie halb vertrocknet ist, kann ich nichts dafür. Wirklich nicht. Komm …«
    Er ließ sich den Mantel abnehmen, erlebte eine Christa, die ihm die Tür öffnete, ihn zum Eßtisch führte und sogar noch auf den Stuhl niederdrückte, als müßte sie sich um einen Pflegefall kümmern. Und das war er wohl auch.
    Sie häufte Kartoffelbrei auf Stefans Teller, beträufelte ihn sorgsam mit Soße, legte die Kohlroulade dazu und schaffte dies alles, ohne den Blick von ihrem Mann zu wenden.
    Dann kam das erste Bier, und es wurde ihm etwas besser. Er trank noch ein Glas, leerte es in einem Zug und aß. Er brauchte diese Entspannung. Schließlich hatte er erlebt, wie die tote Rosi zu ihm gesprochen hatte, einen zweiten Toten in einem Schrotthaufen von Jaguar untersucht, war einem Verrückten begegnet, der sich wie Lazarus aus einem halben Koma erhoben hatte – und dazu, als Dessert gewissermaßen, einen Polizeibeamten, der Bergmann anschließend eine geschlagene Dreiviertelstunde mit seinen Fragen belästigte.
    Er war ein geduldiger, einfühlsamer Polizeibeamter, dieser Kommissar Schmidts – ›mit ‚dt‘ bitte‹ – so geduldig und einfühlsam wie ein Gesangslehrer, der einen total untalentierten

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