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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht anzustrengen. Das ist ganz einfach.« Lindner sprach die Sätze, wieder zu seinem Modell gewandt; sie kamen langsam und leise. »Ich war immer ein Träumer. Schon als Kind. Und diese Träume kreisten nur um eines: um Herausforderungen. Hatte ich eine entdeckt und sie gefiel mir, biß ich mich daran fest. Das hier war ein Stück Land, ein mieser Hügel mit einem Haufen Steine darauf und ein bißchen Krüppelholz. Da unten gab's einen kleinen Strand – und basta!«
    Er stieß sich vom Tischrand ab und setzte sich auf einen kleinen Hocker. »Früher war ich manchmal in Saint-Tropez, ziemlich oft eigentlich. Vielleicht war es der Rummel, der mir gefiel, vielleicht war auch Maria schuld, die in ihrer Kindheit die Ferien hier verbrachte.« Er lachte. »Oder auch die Frauen – all die Mädchen vom Club 55 oder vom Tahiti. Traumfrauen, könnte man sagen, wäre nicht die Hälfte von ihnen Huren gewesen, die du für ein Abendessen oder einen kleinen Segeltörn ins Bett bekommen konntest. Ist ja auch nicht wichtig.«
    Er deutete auf das Modell.
    »Jedenfalls, wir kamen oft genug hier vorbei. Damals hatte ich keine Motor-, sondern eine Segelyacht, die Maria I, ein herrliches Boot. Wir nahmen also Kurs auf Toulon, sahen von ferne diesen Hügel und die Nester dort, Gigalo, Saint-Michel, und dachten uns nichts. Der Wind war mies, wir mußten also dicht ans Ufer, und da stand ich dann. Ich war schon oft am Cap Lardier vorbeigekommen, aber jetzt sah ich das alles zum ersten Mal: den Col, den Strand, die Flußmündung, all die Felsen, vor allem den dort, der wie ein Frauengesicht aussieht.«
    Wieder deutete er auf das Modell. »Ein Frauengesicht mit riesigen Augen, mit Augen, die hypnotisieren können.« Er lachte kurz auf. »Und das haben sie auch. Ich sah es plötzlich. Ich sah alles. Ich sah Häuser, ich sah den Hafen, ich sah eine neue Straße, ich sah den Hang, ich sah die ganze Stadt im Meer.«
    Lindner sprach, nein, flüsterte zu sich selbst: »Das ist, wie wenn du in einem verdunkelten Raum sitzt und ein gewaltiges Dia an die Wand geworfen wird. Es war wie eine Eingebung, nein, wie ein Blitz. Du denkst an nichts, und auf einmal ist es da, einfach so – aus dem Nichts.«
    Stefan schwieg. Lindner war in seiner Welt, in einer Welt, die für niemanden sonst zugänglich war, nur für ihn.
    »Und weißt du, was ich gemacht habe? Ich war am Steuer, wir hatten einen Bootsmann, ein Junge aus Cavalaine, Marcel hieß er. Ich schrie: ›Marcel, wirf den Anker.‹ Das heißt, ich weiß nicht einmal, ob ich den Befehl gegeben habe, jedenfalls sprang ich ins Wasser, kraulte da rüber. Es war ja auch nicht weit, zweihundert Meter vielleicht. Ich kletterte an Land, sah dieses steinerne Frauengesicht dort oben, spuckte Wasser, holte Luft, denn die Brandung war ziemlich wüst, sie hat mich ganz schön herumgewirbelt, aber ich war da. Nicht an Land, nein, ich hielt mich an einem dieser Felsen fest, ich streichelte ihn, packte ihn, drückte mein Gesicht darauf und sagte: Du gehörst mir. Und du wirst Teil einer Stadt. Einer ganzen Stadt.«
    Wieder summten die Jalousien. Lindner hatte den Knopf gedrückt. Seine Augen blinzelten unter dem Einfall des Lichts. Sein Gesicht wirkte leer.
    »So ist das, Psychologe.«
    »So kann es sein.«
    Lindner schüttelte lächelnd den Kopf. »Deine Antwort zeigt mir, daß du mich nie verstehen wirst, Stefan. Aber nimm's nicht tragisch. Komm, laß uns was trinken. Nein, zuvor will ich dir noch was zeigen. Komm mal her.«
    Zum zweiten Mal traten sie an den großen Tisch. Lindner nahm einen dünnen verchromten Stab aus einer Halterung und deutete zum Hang. »Siehst du den kleinen Fleck dort oben, fast unter dem Kamm, den leeren Platz? Das Grundstück hat fünftausend Quadratmeter. Es ist das einzige, das nicht bebaut ist. Weißt du, warum?«
    »Nein.«
    »Es ist für ein besonderes Vorhaben reserviert. Es ist das Grundstück mit dem schönsten Blick. Es ist … ist einfach überwältigend, dort oben zu stehen. Die Pläne sind fertig.«
    »Was für Pläne?«
    »Pläne für eine Klinik, mit Haupthaus und verschiedenen Nebengebäuden.«
    »Klinik?«
    »Richtig. Eine Klinik. Klingt das nicht gut für dich? Und wenn ich dir die Pläne zeige, das schwöre ich dir, flippst du aus.«
    »Ach ja?«
    »Bisher kam ich nur in einem Punkt nicht weiter: Mir war nicht klar, was für Patienten oder Gäste das sein sollten, die dort wohnen. Bei den Vorgesprächen mit meinen Partnern wurden alle möglichen Vorschläge gemacht.

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