Der Hypnosearzt
anderes einfallen lassen.«
»Si, Signore.«
Die Leitung war wieder still …
Er hatte dieses Gefühl schon erlebt, damals vor zwölf Jahren, als ihn mitten im Golf der Sturm überfiel, ihn immer weiter hinaustrieb und ihm dann schließlich der Rosteimer von Kahn unter dem Hintern wegsackte und er in letzter, in allerletzter Sekunde von einem spanischen Schleppnetz-Trawler entdeckt und aus dem Wasser gezogen wurde.
Genauso war es für Maurice Benoît auch heute: Alle Dinge um ihn waren verändert, sie waren weit weggerückt, waren irgendwie unheimlich geworden, seit er Paul Donnet gesagt hatte, was zu sagen war.
Er hatte es geschafft! Wieder einmal. Maurice dachte es, als er den Wagen nach La Vallée steuerte: Geschafft! Das Schweigen hätte dich umgebracht – aber jetzt? Donnet weiß Bescheid. Und Donnet weiß auch, daß du ihn anzeigen und auf einer Untersuchung bestehen wirst, wenn er dir dumm kommt. Was heißt hier schon Kumpel seit der Zeit der Akademie? Pfeif doch drauf, dachte Maurice Benoît, nie bist du mehr betrogen worden als mit dem Wort Kumpel!
Der Polizeiwagen hing hinter einem Traktor, der gemütlich in der Straßenmitte mit seiner Mistfuhre den Hang hinaufzockelte. Benoît schaltete das Blaulicht ein, ließ das Horn losbrüllen, und der Bauer zog erschrocken den Traktor zur Seite.
Die ersten Kurven tauchten auf. Das Haus, zu dem er mußte, kannte Benoît, den Besitzer nicht. Er hieß Lizarzu oder so ähnlich, mußte also aus einer baskischen Familie kommen wie Benoîts Großmutter, und der Anlaß, weswegen er Anzeige erstattet hatte, war so schäbig wie seine Hütte dort unterhalb der Straße: Drei Ziegen hatten seinen Gartenzaun beschädigt und den Salat abgefressen. Und den Besitzer der Ziegen kannte der Mann. Also wollte er eine Entschädigung.
Maurice Benoît fuhr an dem tiefer gelegenen Haus vorbei und stellte den Wagen in den Schatten eines Baumes. Er schnappte sich den Aktenhefter, marschierte los und nahm die kleine Treppe, die ins Haus hinunterführte …
Drei Minuten später stoppte ein Motorrad vor dem Polizeiwagen. Der Fahrer trug einen blauen Monteuroverall und einen Schutzhelm. Er nahm den Schutzhelm ab, griff in die Satteltasche und zog einen Werkzeugkasten heraus. Er öffnete ihn und griff nach einem von einer Batterie betriebenen kleinen Bohrer, ging in die Knie und verschwand unter dem Polizeiauto.
Es dauerte nicht länger als drei Minuten, bis er wieder zum Vorschein kam, das Werkzeug verstaute, sich in den Sattel schwang und hangaufwärts fuhr.
Eine Viertelstunde später startete auch Maurice Benoît seinen Wagen und nahm dieselbe Richtung hangaufwärts. Er fühlte sich entspannt, fast heiter. Das ganze Baskengeschrei, das er sich gerade hatte anhören müssen, war wie eine Beruhigungspille gewesen. Nun würde er seine Runde fahren, um sechs Uhr war er zu Hause, und dort saß der Junge mit seinem vorwurfsvollen Blick, aber es würde das erste Mal sein, daß Maurice das nichts ausmachte – nein, nicht das geringste.
Die Rechnung stimmte.
Vor ihm tauchten jetzt die Mauerreste der alten Tonbrennerei auf. Sie waren mit Ginster überwachsen. Davor standen ein paar Pinien. Dann begann eine scharfe Rechtskurve, die erste, die hinter den Lauf eines kleinen Flusses führte. Er mündete am Ende einiger Windungen ins Meer.
Benoît ließ den Wagen abwärts rollen, sein Blick fiel links hinab zu den Felsbrocken, ins Tal, nicht mehr als zwei-, dreihundert Meter tiefer gelegen. Der Grund der Schlucht war mit braunem Geröll bedeckt, Wasser gab's nirgends zu sehen, im Sommer hatte die Sonne den Fluß ausgetrocknet.
Maurice sah das Warnschild und trat auf die Bremse, trat sie durch bis zum Anschlag. Es war, als würden seine Fußballen überhaupt keinen Widerstand finden.
Zunächst war in Maurice Benoît nichts als ein ungläubiges Staunen; es dauerte nicht länger als drei, vier heftige Herzschläge. Seine rechte Hand fuhr zur Handbremse, riß sie hoch – und wieder war es dasselbe: kein Widerstand. Die Bremse versagte.
Das gibt's nicht, war das erste, was Maurice dachte.
Und dann: Ich glaub es nicht, ich glaub's nicht …
Donnet, das Dreckschwein, Donnet und all die anderen Dreckschweine, mit denen er unter einer Decke steckt …
Maurice dachte es, während der Wagen mehr und mehr an Fahrt gewann und sein Gehirn nach Chancen, nach Möglichkeiten suchte: Die Felswand dort, halt dich rechts, schramm vorbei, dann wirst du langsamer. Nein, hat ja keinen Zweck, die hält dich
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