Der Hypnosearzt
klares Wasser und einen klaren Kopf brauchen?«
»Ich habe ein Problem«, sagte sie einfach. »Und vielleicht können Sie mir dabei helfen …«
Sie sprach in knappen, klaren Sätzen, mit einer völlig gelassenen, ganz normalen Stimme, und vielleicht war es ja auch ganz normal, was sie erzählte. Wie viele ähnliche Berichte hatte Bergmann schon gehört, wie viele Ehegeschichten ähnelten im Grunde Krankheitsprotokollen. Wieso also kam er ins Schleudern und mußte sich zwingen, ruhig, ganz ruhig zu bleiben?
Das Haus, in dem sie saßen, diesen wunderschönen Bau, bewohnte sie nicht allein. Sie teilte es mit einer Freundin, mehr noch, die Freundin war die Besitzerin. Sie hieß Bella, stammte aus Cannes, arbeitete für Film- und Fernsehproduktionen als Kostümbildnerin. »… und sie hat mir, nicht nur, was die Malerei angeht, von Anfang an den richtigen Weg gezeigt. Außerdem, Stefan, um das gleich zu sagen: Wir sind nicht nur Freundinnen, wir sind ein Paar.«
Sie erhob sich und sah auf ihn herab, das Gesicht völlig unbewegt, als habe sie die selbstverständlichste Eröffnung der Welt gemacht. Sie ging zu der Staffelei mit dem Katzenbild und deutete auf eine Serie von Zeichnungen: »Sehen Sie diese Figurinen? Die sind von Bella. Hier, das Bild von mir, eine Art Porträt und zugleich ein Psychogramm – auch das stammt von ihr.«
Das Bild zeigte eine Frau vor dem Spiegel. Sie hatte den langen Nacken gebeugt, die Linke hielt das dunkle Haar, drei Finger bedeckten das rechte Auge. Der präzise, hart hingesetzte Strich, die Farben, der Blick …
»Dann ist also das Bild im Salon der Maria auch von Ihrer Freundin?«
»Ja. Und Thomas wollte es unbedingt dort haben. Ich fand die Idee zwar nicht so überragend – aber gut, wenn er will, sagte ich mir, laß ihm seinen Spaß.«
Er konnte ihren Ton nicht deuten. Liebevolle Ironie – oder so etwas wie Widerwillen? Sie hielt den Kopf gesenkt, so wie dort auf dem Bild. Bergmann betrachtete ihr Profil und versuchte, mit der Verwirrung, die in ihm herrschte, fertig zu werden: Mach dir keine Mühe. Wieso auch? Es gibt nichts Schwierigeres als Dreiecksbeziehungen. Und nichts Erfolgloseres dazu … Aber was will sie von dir, Herrgott noch mal? – Warte ab. Sie wird reden …
Und sie redete. »Bella ist eminent begabt. Auch als Malerin könnte sie Berühmtheit erlangen. Ich sage das nicht, weil sie meine Freundin ist, es ist wirklich so. Sie hat zwei Ausstellungen gemacht, eine davon in Paris, die andere in Cannes, seither laufen ihr die Galeristen die Türen ein. Und sie, sie lacht sie aus und wirft sie raus. Sie erträgt den Rummel nicht …«
»Aber hören Sie, TV-Produktionen und Arbeiten für Oper oder Theater, das ist doch …«
»Sicher, das ist auch Rummel. Und das ist es genau, was Bella haßt. Und so hat sie die Methode erfunden, wie es auch anders geht. Bella hat eine kleine Wohnung in Cannes, manchmal geht sie auch in irgendein Café, und dort bespricht sie dann mit den Leuten, auf die es ankommt, mit Regisseuren, Produktionsleitern, Bühnenbildnern, ihre Projekte. Die nehmen dann Bellas Zeichnungen und Vorschläge mit – und das war's. Bella will nur eines …«
»Und das ist?«
Sie sah ihn wieder an, sah ihm direkt und lange in die Augen. »Das, was wir alle wollen, Stefan: arbeiten – und dabei geliebt werden oder zumindest nicht einsam sein. Und Gesundheit.«
Die langen Hände, dieselben Hände, die ihre Freundin dort gemalt hatte, strichen über ihren Körper, zogen eine Falte über den Brüsten glatt, und Stefan konnte nicht anders, als die Bewegung zu verfolgen.
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das alles erzählen soll – aber warum nicht? Vielleicht müssen Sie es sogar wissen, um besser zu verstehen. Als ich vor sieben Jahren heiratete, habe ich Bella sozusagen als Mitgift in die Ehe gebracht. Man könnte mich also bisexuell nennen, wenn dieses idiotische Wort eine solche Beziehung überhaupt beschreiben könnte.«
Er nickte schon wieder. Schließlich: alles war ja ganz normal, zumindest wenn man ihrer Stimme glaubte; genauso hätte Maria sagen können, der Rahmen um Bellas Porträt hätte etwas breiter ausfallen müssen.
Stefan Bergmann sah in sein Wasserglas.
»Wieso stellen Sie jetzt keine Frage?« hörte er Marias Stimme.
»Welche Frage?«
»Wieso fragen Sie nicht: Und Thomas? Was sagt der zu allem?«
»Wollen Sie das hören?«
»Oder Sie könnten auch fragen, wieso ich Ihnen das so ausführlich erzähle.«
»Das schon eher.«
»Der
Weitere Kostenlose Bücher