Der Hypnosearzt
Rosmarin – Gummi.«
François sprang von seinem Stein auf die kleine Felsplatte, auf der Louise stand, dann machte er noch drei weitere Sätze über mehrere Steine – und roch nicht nur, sondern sah …
Ein vom Sturz abgesprengtes Rad!
Dann dort in dem verdorrten Busch das Blinken einer Zierleiste. Und links, im Schatten des Felsens – mein Gott!
François begann zu rennen.
Er war in wenigen Minuten bei dem Trümmerhaufen, der einmal ein Streifenwagen gewesen war, entzifferte aus den verbogenen weißen Buchstaben das Wort POLICE , beugte sich zu den zersplitterten Fenstern. Mehr als einen einzigen Blick auf die blutbesudelte Gestalt brauchte er nicht, um zu erkennen: Hier kannst du nichts machen.
»Aber er lebt«, schluchzte Louise. »Hör doch …«
Ja, er lebte. Was man hörte, war ein halb ersticktes Röcheln, und was man sah, war Blut, so schrecklich viel Blut.
Louises Gesicht war weiß vor Entsetzen. Sie deutete mit der Hand nach oben, sie sprach keinen Ton, sie zitterte. Und auch François hob nun den Kopf. Ja, von dort oben war der Wagen abgestürzt. Und das waren gut hundertzwanzig Meter über den Hang, über den großen Felsen. Und dann … Er wagte es nicht auszudenken.
»Und jetzt?« flüsterte Louise. »Was machen wir?«
Genau das fragte François sich auch. Nur der Teufel wußte, wie lange der Mann schon zwischen den kaputten Sitzen klemmte. Zum Campingplatz war's zu weit. Fünfzehn, vielleicht zwanzig Minuten hatten sie bis hierher gebraucht. Direkt über ihnen aber verlief die Straße. Gerade knatterte ein Motorrad vorüber. Sehen konnte man es nicht, nur hören, deshalb war der Streifenwagen auch unentdeckt geblieben.
»Komm! Klettern wir hoch.«
Es war nicht weit, und sie hatten Glück: Kaum hatte François Louise auf die Fahrbahn gezogen, kam auf der gegenüberliegenden Hangseite ein Lieferwagen. Er gehörte einem Bauern, der eine Ladung Stroh an eine Hühnerfarm in Cavalaire verkaufen wollte.
Er stoppte. Als François ihm erklärte, was geschehen war, kletterte er ein paar Meter den steilen Hang hinab, kam sofort zurück, warf sich hinter das Steuer und deutete ins Innere seiner Kabine. »Wollt ihr mit?«
François und Louise sahen sich an. Sie kamen nicht einmal zu einer Antwort, denn der Mann gab bereits Gas, und der Auspuff spuckte ihnen eine Ladung Dieselqualm in die Gesichter.
Es war jetzt siebzehn Uhr zweiundvierzig.
Noch immer lag Maurice Benoît in seinem Blut. Das Bewußtsein hatte er bereits bei dem Aufschlag verloren, aber der kräftige Körper kämpfte, die Lungen versuchten noch immer, durch die halb blockierten Atemwege Luft zu bekommen, um dem Herzen den notwendigen Sauerstoff zu beschaffen, das matt und matter schlug.
Zwanzig Minuten später traf der Rettungswagen an der Unglücksstelle ein, er wurde begleitet von zwei Streifenfahrzeugen des Kommissariats. Der Notarzt machte sich an die Arbeit. Er hatte dabei nicht nur seine eigenen Leute, sondern praktisch die ganze Schichtbesatzung aus Cavalaire zur Unterstützung. Nur Inspecteur Donnet war nicht zu sehen. Er müsse zu einer wichtigen Konferenz, das hatte er wenigstens zu Dubois gesagt, der als einziger im Kommissariat die Stellung hielt. Eines allerdings tat Donnet noch: Er nahm den Hörer ab und rief in der Wohnung von Maurice Benoît an.
Charlie vernahm das Klingeln.
Er hockte an seinem kleinen Schreibtisch über dem Kapitel ›Heterotrophe Lebewesen‹. Charlie hatte sich das Buch Neue Forschungen in der Biologie gerade vorgenommen, um es anschließend seinem Freund Fabien zu bringen. Irgendwie mußte es schließlich zu schaffen sein, daß Fabien sich mit noch etwas anderem als mit verbrannter Asche beschäftigte. Und ausgerechnet jetzt ging das Telefon! Wieso hörte der blöde Apparat nicht endlich auf zu klingeln? Vielleicht war es der Alte?
Charlie sprang auf, warf den Stuhl um und rannte ins Wohnzimmer. Es war nicht sein Vater, es war dieser Hundesohn von Donnet höchstpersönlich. Und dazu war er noch ziemlich aufgeregt.
»Charlie, hier spricht Paul Donnet.«
»Ich merk's«, erwiderte Charlie mißgelaunt.
»Charlie, es ist etwas passiert. Mit deinem Vater. Er ist verunglückt. Mit dem Streifenwagen.«
»Er lebt?« Charlie brachte die Frage kaum heraus.
»Ja. Aber er ist schwer, sehr schwer verletzt. Er ist auch nicht bei Bewußtsein.«
»Und wo ist er jetzt?«
»Im Provinzkrankenhaus von Hyères.«
Nie in seinem Leben hatte Charlie Benoît die Strecke zwischen Cavalaire und Hyères in einer
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