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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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versackte ich für Sekunden in der Wollust, mir eine nackte und stöhnende Marie-Thérèse auszumalen, dann wieder waberten mir Szenen durch den Kopf, die mich in Charenton auf einem Schnauzer zeigten. Ein Reigen setzte ein: Wollte ich mich auf Marie-Thérèse Brüste besinnen, hörte ich einen geifernden Hund, versuchte ich, mir ihren Schoß vorzustellen, erinnerte ich mich an einen stinkenden Hundebalg und bildete mir ein, mich gerade im Gras gewälzt zu haben. Es war zum Verzweifeln. Im Souterrain meines Leibes dröhnte die Lust auf das Weib, im Kopf aber blökte es zunehmend: Krähenfresser!
    Phantastisch, monströs, lächerlich, schlüssig, unwahrscheinlich – und doch: Michel, der Junge aus Charenton, tatsächlich, er war´s. Er hatte sich rächen wolle. Zum einen, weil ich einen seiner Hunde auf dem Gewissen hatte, zum anderen, weil er sich von mir beleidigt wähnte. „Sie sind tot!“ Es klang wieder auf und gewann schließlich gegen Marie-Thérèses süße Seufzer und Küsse. Die Stürme im Souterrain verebbten, und wütend zerknüllte ich Albert Joffes Bericht. Michel, der Idiot, war aufgeflogen, weil er sich eine von der Kommunalverwaltung unterhaltene Droschke gemietet hatte. Nach systematischer Befragung aller von der Stadt angestellten Kutscher, fand sich derjenige, der Michel gefahren hatte. Er konnte sich gut an den Jungen und vor allem an dessen Antwort erinnern: „Klar hab ich Geld für die Fahrt. Bin schließlich kein Krähenfresser.“ Die Formulierung fand sich auf der Fahndungsliste wieder, woraufhin Polizeigendarm Robert Guimet aus Charenton ins Grübeln kam. Die Geschichte um die eingeworfene Scheibe von Meister Marchands Coiffeur-Salon samt anschließender Keilerei und Wortgeplänkel war dorftypisch und damit sorgfältig protokolliert worden und dies eben von niemand anderem als Polizeigendarm Robert Guimet. Natürlich kannte er Michel und erkannte in ihm den Gesuchten auf der Fahndungsliste.
    Michel war sofort geständig, und Robert Guimet um seine erste Beförderung reicher.
    Am nächsten Morgen döste ich lange vor mich hin und lauschte auf die vertrauten Geräusche des Guts: Fensterläden wurden aufgeschlagen, Türen quietschten, Eimer schepperten, Kühe brüllten. Gerade bog ein Pferd samt Karrenwagen in den Hof und eine Stimme rief, das Tier gehöre in den Beschlagstall.
    Ich trat ans Fenster, lüftete, kroch wieder ins Bett. Der Geruch von Rebholzfeuer lag in der Luft, aber auch der nach Heu von der gegenüberliegenden Stallscheune. Wasser klatschte aufs Pflaster, kurz darauf begannen im Rhythmus zwei Besen zu fegen.
    Ich stand auf, wusch mich und kleidete mich an. Das Frühstück nahm ich in der Gesindestube ein, darauf begann ich meinen Rundgang. Eine halbe Stunde hatte ich bis zur Aufwartung bei Frau Baronin für mich, aber die Erinnerungen stellten sich nur unwillig ein. Ständig musste ich an Marie-Thérèse denken, mit zunehmend beklommenerem Herzen. Denn mir war etwas eingefallen. Zwar nur ein schlichter Satz, aber der hatte es in sich: „Joseph, du tust, als hättest du das Ja-Wort in der Tasche.“ Diese mir damals kryptisch vorkommende Bemerkung des Abbés erfüllte mich jetzt mit Argwohn und riss einen Abgrund ängstlicher Fragen auf.
    War der Comte etwa auf Freiersfüßen?
    Von wem erwartete er das Ja-Wort? Alles in allem genommen, hätte es doch nur von Marie-Thérèse kommen können. Spielte sie etwa mit dem Gedanken, sich dem Comte antrauen zu lassen? Ihm eine Gattin zu sein? Ihre Schönheit und herausragende Begabung wogen die Standesunterschiede allemal auf. Trotzdem, schon der Altersunterschied! Sie war Mitte Zwanzig, der Comte jedoch eine durchaus herbe Erscheinung, sechzig dazu und sein Charakter wie Scheuersand.
    Wie betrunken schaute ich auf die Harpfen, auf denen nun statt Heu Wäsche trocknete. Noch war das Gras auf den Wiesen strohig und zertreten, aber an ein paar Stellen blitzte bereits verheißungsvoll das Grün des Huflattichs. Laß die dummen Gedanken, versuchte ich mich zu beruhigen. Auch wenn alles so wäre, stünde dies unserer Liebe im Weg?
    Unserer Liebe?
    Ich machte kehrt. Die Baronin wartete. Sie empfing mich in ihrem im alpenländischen Stil getäfelten Salon. Auf ihrem Sekretär lagen zwei Ausgabenbücher, eins davon war aufgeschlagen. Seit Ludwig nicht mehr sei, müsse sie jetzt die Ausgaben kontrollieren, meinte sie bekümmert und schob ihr Tagebuch schützend über die Seiten mit den Eintragungen und Zahlenkolonnen. Sie war ein direkter

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