Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
Vom Netzwerk:
sinnlos.«
    Concierge bleibt Concierge, dachte ich. Selbst unter Suggestion.
    Nur noch wenige Schritte bis zur ersten Stufe.
    Ich hörte vor Anspannung auf zu atmen. Noch hing Madame Rousseau zutraulich an meinem Arm …
    »Verzeihung, Monsieur. Was erlauben Sie sich?!«
    Eigentlich war es zu phantastisch, um wahr zu sein. Madame Rousseau entzog mir ihren Arm, unsanft, passend zu all ihren Vorurteilen, griff sich ins Kleid und nahm die drei Stufen, als müßte sie einen Verfolger abschütteln. Von einem Augenblick auf den anderen wurde ich Luft für sie, war ein Fremder unter Fremden. Kaum weniger verblüffend erschien mir auch, welche Ausstrahlung sie plötzlich entwickelte. Diese einfache Concierge bewegte sich im Glanz des Marmorfoyers mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre sie in ähnlichen Verhältnissen groß geworden. Lächelnd näherte sie sich den parlierenden Grüppchen und klappte selbstbewußt ihren Fächer auf. An ihren Blicken war nichts Ungewöhnliches. Wer sie beobachtete, hätte vermutlich gedacht: Madame hält Ausschau nach einem reichen Witwer. Das Entscheidende für mich aber war, dass Madame Rousseau hier nicht deplaziert wirkte. Ich suchte ein paar Mal ihren Blick, doch als der meine den ihren kreuzte, geschah nichts weiter, als dass Madame unwillig die Brauen zusammenzog und strafend ihre Lippen zusammenpreßte – und natürlich spannte sich über ihrem Busen der feste Stoff ihrer finsteren Witwentracht.
    Sich Luft zufächelnd, betrachtete sie die klassischen Skulpturen und Schlachtengemälde, nur dann und wann geistesabwesend den Kopf schüttelnd. Ich kniff mir in den Arm, schaute Madame direkt an - sie aber wandte sich meiner überdrüssig einfach von mir ab.
    Wie aber wird sie sich verhalten, wenn sie merkt, dass sie kein Eintrittsbillet hat?
    Ich ließ Madame Rousseau nicht aus den Augen, bereit, ihr wie ein Tiger nachzusetzen, sollte sie sich den Saaltüren nähern, die den Blick in den Prunksalon freigaben. Ein Diener in altmodischer Livree kontrollierte die Billetts. Seine Blicke waren jedoch nur beiläufig, ernster nahm er die Aufgabe, die Gäste auf den Willkommenstrunk aufmerksam zu machen: Ruinart-Champagner, der in zahllosen Champagner-Flöten vor sich hinperlte.
    Im Salon selbst wurden die wichtigen Leute von Comte de Carnoth persönlich begrüßt. Der glatzköpfige Comte, dessen hageres Gesicht von einer großen Warze zwischen Nase und rechtem Auge beherrscht wurde, trug mausgraue Hose und Weste, dazu einen weinroten Binder und aquamarinblauen Überrock. Ich sah ihn durch die Flügeltüren im Gespräch mit einem mir ebenfalls flüchtig bekannten Herren, Monsieur Daniel Roland, Untersuchungsrichter an der Conciergerie: ein kleiner Mann mit dem Kinn Voltaires und zahlreichen Runzeln im Gesicht. Im scharfen Kontrast dazu standen sein weicher Mund mit den genießerisch vollen Lippen. Monsieur Rolands bestickte Weste zierte eine Diamantnadel, deren Blitzen vornehm genug war, um den recht schäbigen Anblick seiner zerknitterten schwarzen Hose und des zu engen Überrocks wieder wettzumachen.
    Ich hatte wenig Lust, die Konversation von Comte und Untersuchungsrichter zu stören, leider aber schickte sich Madame Rousseau in diesem Moment an, den Salon zu betreten. Ihre Hand glitt ans Kleid, demnach musste sie sich also bewußt sein, ein Billett vorzeigen zu müssen.
    »Madame Rousseau! Einen Augenblick!« Ich zwängte mich zwischen zwei Herren hindurch, rempelte eine Dame an. Nur meine Concierge vor Augen, vergaß ich, mich zu entschuldigen und trat zu allem ÜberFluss noch einem alten Abbé auf den Fuß, der sich unter seiner schimmernden Soutane auf einen Stock stützte. »Madame Roussea! Bitte, Ihr Billett! Ich sah gerade, dass es Ihnen aus der Hand glitt, nicht wahr?«
    Die Concierge zuckte zusammen. Doch kaum, dass sie ihren Schrecken gemeistert hatte, kamen ihr auch schon die Worte über die Lippen, die ich ihr suggeriert hatte: »Was Sie wieder schwatzen! Unerhört!«
    Dann nahm sie ihr Glas und rauschte in den Salon. Einen Moment lang erstarb alle Konversation. Ob der Abbé, der Diener, Comte de Carnoth oder Untersuchungsrichter Roland - jeder machte ein Gesicht, als wäre er Zeuge eines Spuks geworden. Ich aber lächelte selig. Schließlich Fasste sich die Gesellschaft wieder – was mir die Ehre eintrug, vom Comte persönlich begrüßt zu werden.
    »Ah, ich erkenne Sie wieder, Monsieur. Wir begegneten uns in Charenton nicht wahr? Ich weilte dort auf den Spuren meiner

Weitere Kostenlose Bücher