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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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machen! Vielleicht war ich berufen, die Psychiatrie zu revolutionieren?
    »Himmel! Hausverwalter verwalten Häuser, Eisenhändler handeln mit Eisen, Kolonialwarenhändler mit Kaffee, Gewürzen, Schokolade, Puffmütter führen Puffs, Lakaien machen auf Servilität, Familienväter auf Familie, Falschspieler dreschen gezinkte Karten! Und ich? Ich hypnotisiere, male Suggestionen in die Hirne und entführe eben ins Reich der eigenen Seele! Was ist daran so Besonderes?«
    Derart aufgestachelt und gestärkt machte ich mich in eines der einschlägigen Hôtels auf, die Collard zu besuchen pflegte. Die Madame dort duftete nach Rosenwasser und wirkte von hinten mit ihrem altmodischen, in der Taille hochgegürteten Kleid wie die Verkörperung aristokratischer Tugend. Als sie sich umdrehte, fixierte mich eine Einäugige mit schwarzer Augenklappe. Bestimmt war sie fünfzig Jahre alt!
    »Sie wünschen?«
    Die Stimme war freundlich, aber kalt wie eine Grabplatte. Mit der größten Ungezwungenheit legte sie mir die Hand in den Schritt, sagte: „Ich verstehe“, und führte mich dann in eins der Separées. Vier Mädchen erhoben sich von zwei Diwanen und begrüßten mich mit anmutiger Verbeugung.
    »Sechzehn Francs mit Abendessen, dreißig ein Souper mit Übernachtung.«
    »Und ohne Mahlzeit?«
    »Sie wollen Ihre Favoritin doch wohl nicht verhungern lassen?«
    Calvadoisaner Collard, Sie verkehren wirklich am rechten Ort! Es muss Ihrer barmherzige Seele ja ungemein schmeicheln, wenn Sie Ihrer Favoritin mit Ihrem werten Besuch auch den Hunger vom Leib halten!
    Da ich keine falschen Hoffnungen wecken wollte, bestellte ich ein Abendessen. Vier Gänge: Eine provençalische Gemüsesuppe, wegen des Oreganos, Brühwurst, kaltes indisches Huhn wegen des Currys und deutsches Anisbrot, weil die Scheiben so groß und trocken waren.
    Getränke gingen extra. Ich klingelte.
    »Sie wünschen?«
    »Rotwein. Und zwar eine Flasche, die ich entkorken werde.«
    »Es kommen sechs Francs dazu.«
    Ich seufzte schicksalsergeben, entkorkte die Flasche – einen schlaffen Beaujolais – und brachte das Essen samt des Restservices hinter mich.
    Auf der Straße fühlte ich erst eine taube, sinnenleere Hohlheit. Zuhause war dieses Gefühl aufgrund meiner Vorliebe für Spaziergänge zum Glück verebbt – aber kaum, dass ich mir eine Flasche Wein aufgemacht hatte, spürte ich auf einmal diesen Giftstein in mir, der plötzlich größer geworden war. Natürlich, sagte ich mir, das ist der kleine Tod nach dem Akt! Derartige käufliche Vereinigungen sind schließlich die wackligsten Provisorien, die es gibt. Obwohl man weiß, wie man sich hinterher fühlt, glaubt man vorher, wenigstens für einen Moment seine Unsicherheit, Beklemmung oder Angst vergessen zu können. Es ist die irreale Hoffnung, der schönste Moment würde sich diesmal nicht verlieren, sondern das Gefühl einem ewig in Erinnerung bleiben und hinfort begleiten.
    Mir aber nutzte diese Selbstanalyse nichts. Stattdessen wuchs der Giftstein in meiner Brust und bescherte mir Depressionen, wie ich sie noch nie erlebt hatte.
    Ich betäubte mich mit einer dritten Flasche Wein und begann Selbstgespräche zu führen. Die Palette reichte von Verzweiflung bis zur Euphorie. Ich machte mir Vorwürfe, schalt mich einen Narren und Versager, dann wieder fühlte ich mich als Petrus der Große. Im Verdacht, möglicherweise ein Dutzend Jahre meines Lebens billig verschleudert zu haben, quälte ich mich mit wüsten Beschimpfungen und wetterte gegen mein dummes weiches Herz, diesen kindischen Stolz, sich ausgerechnet von den Irren geliebt zu fühlen.
    »Zum Teufel mit dir. Es ist ja doch alles lächerlich und eitel. Sauf lieber. Friss. Das kannst du am besten. Und dann leg dich ins Grab!«
    Es war Sonntagnachmittag und ich von der Orgie meiner Selbstzerfleischung so erschöpft, als hätte ich in einem Steinbruch gearbeitet. Immerhin hatte ich die Kraft gehabt, mir eine Mahlzeit zu gönnen: Rebhuhnpastete, Brot und Käse. Doch meine Glieder waren lahm. Wie tot lag ich auf meinem orientalisch bezogenen Diwan und lauschte auf das Stundenschlagen der Pariser Kirchen. Von den beiden geräumigen Zimmern, die ich an der Rue Monge bezogen hatte, liegt eines gegen die Kirche St. Étienne-du-Mont, das andere geht auf den mit schwarzen Johannisbeerbüschen bepflanzten Hof. Ich schätzte diese Hofseite. Sie bot verlockende Ausblicke. Im Spätsommer, zum Beispiel, suchten die Katzen den Hof auf, um sich in den Fenstern gegenüber zu

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