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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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der Marquis beschwöre die Toten. Wenn er unter einer alten Ulme seine Séancen zelebrierte, klänge es, als rängen seine sogenannten Patienten mit teuflischen Dämonen. Ich kannte all diese Geschichten. Adrien Tissot hatte sie mir erzählt, als er in seinem Heuschober-Experiment demonstrierte, wie schnell die Menschen bereit waren, sich ihren Geist unterwerfen zu lassen.
    Und nun sollte dieser Kopernikus die glorreichen Zeiten dieser animalisch-magnetischen Séancen wiederbeleben.
    Der laute Seufzer einer Dame riss alle Aufmerksamkeit auf sich. Eine Tapetentür hatte sich geöffnet, ein Rollstuhl kam zum Vorschein. Geschoben wurde er von Kopernikus, einem schwarzhaarigen Cäsarenkopf, der in einen nachtblau schimmernden Seidenmantel gewandet war. Zwischen seinen Fingern steckte ein dünner Ebenholzstab mit eingeflochtenem Eisendraht, eine Requisite, die gut zu seiner leptosomen Gestalt und den kleinen leuchtenden Augen paßte. Wider Willen musste ich lächeln. Kopernikus eiferte mit diesem Aufzug Mesmer nach, der sich in seinen besten Zeiten als zweiter Zoroaster feiern ließ.
    Doch das Stöhnen des Publikums galt gar nicht ihm, sondern der Frau im Rollstuhl – die keine Geringere war als „La Belle Fontanon“, die gelähmte Ex-Favoritin von …
    Ähnlich wie meiner gebannt dasitzenden Madame Rousseau ging es wohl auch dem Rest des Publikums. Und ich bekenne: Auch mir stoben Namen durch den Kopf. Ich kannte zwei, andere im Salon bestimmt fünf, Klatschbasen und Gerüchteschmiede garantiert mehr als ein Dutzend.
    „La Belle Fontanon!“
    Kam sie nicht in den Rollstuhl, weil ihr letzter Liebhaber sie aus Eifersucht … Nein, sie soll vor eine Droschke gelaufen sein … Oder war es doch Gift gewesen? Aber gab es da nicht auch diese Dolchstoß-Geschichte im Garten des Palais-Royal? Nachts? Köstlich diese Geschichte! La Belle Fontanon und ihr Kavalier hatten ein Rendezvous an einem der Springbrunnen, und sie soll von ihren am besten beleumdeten Fähigkeiten Gebrauch gemacht haben. Und während sie … fuhr aus der Schwärze der Nacht eine Hand mit einem Dolch, der in den Rücken der armseligen … Die Strafe für ihre Verwerflichkeit! Denn seitdem war La Belle Fontanon gelähmt. Von der Gesellschaft ausgeschlossen, fristete sie ganz allein in einer schäbigen Wohnung ein trostloses Dasein.
    Unsichtbaren Wogen gleich füllten die Klatschgeschichten den Salon, streichelten Dekolletés, strichen über Schmuck und Frisuren, bauschten sich über Glatzen und Kragen und verdichteten sich auf der Bühne über La Belle Fontanons Rollstuhl und Kopernikus' Kopf.
    »Wir alle wollen Ihnen helfen. Kommen Sie zu sich!«
    Kopernikus‘ Stimme war so tief wie beschwörend und von eindrucksvoller Kraft. Schien er auch dünn zu sein wie ein Spargel, seine Stimmbänder waren die eines Hünen. Kein Wunder, dass La Belle Fontanon augenblicklich aufwachte. Sie blinzelte, bewegte verwirrt den Kopf. Dann weiteten sich ihre Augen, und sie schrie auf. Ich begriff sofort: Diese Stimme war magisch! La Belle Fontanons Stimme hatte das gewisse Etwas. Dieser einzige Schrei, der sich ihrer Kehle entwand, war wollüstig, hilflos, ehrlich, hingebungsvoll, einsam, verzweifelt. Mit diesem einzigen Schrei hatte La Belle Fontanon das Publikum auf ihre Seite gebracht.
    Kopernikus war ihr Werkzeug, nicht umgekehrt! Darin bestand der Trick. Einfach, aber genial. Gleichgültig, was und wen Kopernikus nach La Belle Fontanon präsentierte, er würde sich hinterher feiern lassen können.
    Mir schoß nur ein Wort durch den Kopf: Nein! Laß es nicht zu!
    Doch die Séance begann.
    »Sie sind hier, Madame, weil wir alle wollen, dass Sie endlich die Ketten des Rollstuhls von sich werfen, um wieder gehen können.«
    Er monologisierte wie ein Schauspieler, und die Art, wie er seine tiefe Stimme einsetzte, war wirklich eindrucksvoll. Dazu harmonierten seine schnellen, eleganten Bewegungen, mit denen er es auf verblüffende Weise schaffte, seinen Mantel so zum Schwingen zu bringen, dass man glaubte, er würde einen umarmen. Nie wurde sein Blick starr, immer aber war er fest und bestimmt. Wer bereit war, sich in seinen blauen Augen zu verlieren, begann, zufrieden zu lächeln, und musste das Gefühl bekommen, diesen Mann schon lange zu kennen. In der Tat: Kopernikus gelang das Kunststück, sich Vertrauen zu erringen. Denn was er redete, klang vernünftig, machte aber auch neugierig. Eigentlich klang alles voller Demut, aber dann plötzlich hatte er seine Vision und wagte

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