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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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ich noch Kredit? Wunderbar! Beehren Sie und ihre vortreffliche Gattin mich doch wieder einmal mit einem Besuch!
    Oh, Monsieur Nouritt! Wie ich mich freue, Sie bald wieder in der Académie singen zu hören! Dabei unter uns, ich habe gehört, Madame Pisaroni kommt auch an die Seine? Ob alles anders würde, wenn Rossini bei uns in Paris die Geschicke der Musik in die Hände nimmt? Sein Kollege, dieser Salieri, der arme Teufel, ist ja tatsächlich in geistige Umnachtung gefallen. Hat er wirklich Mozart vergiftet?
    Der Comte strahlte. Es kam Prominenz, und er fand die richtigen Worte. Im übrigen war er ausgezeichnet informiert: Natürlich, die bleichgesichtigen Engländer und ihr sogenanntes Schienenprojekt! Wie typisch! Diese Stahl-Besessenheit! Ihr Maschinen-Wahn! Mit Dampfmaschinen zu reisen! Degoutant! Überhaupt, wo führe das alles hin?
    »Diese Schienen sind stählerne Krakenarme! Sie verschlingen Landschaften, Dörfer, Gehöfte! Und warum das alles? Weil die Engländer jeglichen Glauben verloren haben! In den Zeiten der Kathedralen bauten sie noch in die Höhe, jetzt in die Weite! Das Horizontale siegt über das Vertikale, gemeiner Geschäftssinn triumphiert über Geist und Tradition. Der Untergang ist eingeleitet. Aber ich werde ihn zum Glück nicht mehr erleben.«
    Er ist nicht dumm, dachte ich, ließ mich aber weiter in den Hintergrund fallen. Wo aber war dieser Porreño? Scham und Wut stiegen in mir hoch, nur mühsam gelang es mir, mich abzulenken, Zum Glück verfügte der Comte reichlich über schöne Dinge. Vom prophezeiten Untergang schien er noch weit entfernt. Ich betrachtete die Schäferszenen auf den alten Gobelins und befühlte die purpurnen Brokatvorhänge vor den riesigen Fenstern. Das Parkett war mit Bienenwachs poliert, die Kristallüster funkelten wie in einem Märchen. Keine Veranstaltung ohne den Rahmen funkelnder Blendwerke. Das ist der Lauf der Welt. Wer die Menschenherde unterhalten will, muss sie erst einstimmen, bevor sie sich ganz hingibt und bezaubern lässt. Wir alle wissen darum. Unser Anteil ist: Wir werfen uns in Schale, lächeln und spielen das Spiel der guten Laune. Denn nur, wenn wir uns und den anderen den Anschein geben, in diesen Stunden über Schicksalsschläge erhaben zu sein, sind wir bereit, uns von Künstlern oder Magiern hypnotisieren, sprich unterhalten zu lassen.
    Der Comte hatte den perfekten Zeitpunkt gewählt. Die Menschen waren hungrig auf Verführung und Zerstreuung, denn es war kurz vor Beginn der Spielzeit. Eigentlich konnte gar nichts schiefgehen: Sie würden seinem Kopernikus aus der Hand fressen.
    Bist du neidisch? fragte ich mich unwillkürlich.
    Selbstverständlich, gab ich mir die Antwort.
    Doch mehr als das Kinn kämpferisch vorzustrecken fiel mir nicht ein. Wer war Kopernikus? Vorgeblich ein Schüler des Marquis de Puységur, der wiederum Mesmers bedeutendster Schüler gewesen war. Was aber konnte Kopernikus, was Mesmer und der Marquis nicht konnten? Wollte der Comte seine Lieblingskurtisane beeindrucken, sich mit einem Skandal in die Zeitung bringen oder suchte er einen Vorwand, um elegant zu bankrottieren, weil er scheindumm darauf gesetzt hatte, dass dieser Kopernikus in seinem Haus einen verborgenen Schatz zu Tage fördert?
    Fluctuat nec mergitur. Von den Wogen geschüttelt, wird es dennoch nicht untergehen.
    Jede zweite Kerze wurde gelöscht. Auf der Bühne flammten Öllichter in bunten Zylindern auf. Bald wurde es noch dunkler im Salon, und das Gemurmel wich Hüsteln und Rascheln, weil die Gäste sich beeilten, ihre Plätze einzunehmen. Ich ließ mich neben Madame Rousseau nieder, die schicksalsergeben aufseufzte. Stellvertretend für das Ehepaar Esquirol hatten wir unsere Plätze in der ersten Reihe, zusammen mit solch illustren Persönlichkeiten wie dem Bankier Boissieu und dem Marquis de Puységur. Ich spähte zu ihm hinüber. Der Marquis hielt die Augen geschlossen und wirkte, als gehe ihn alles nichts mehr an. Sein Gesicht trug alle Zeichen einer Totenmaske. Leblos lehnte er in seinem Sessel, die Hände auf einem Stock mit Silberknauf gefaltet.
    Sic transit gloria, Marquis.
    Sein Schloss in Buzancy, eine Tagesreise nordöstlich von Paris, war einst das Zentrum des Mesmerschen Magnetismus gewesen. Die dort vor der Revolution abgehaltenen öffentlichen Wunderkuren waren so legendär wie berüchtigt. Landvolk und Kirche verurteilten das Treiben als Geisterbeschwörung. Wenn im Spätherbst der Nebel durch den Schlosspark waberte, ging das Gerücht,

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