Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)
Alptraum erwacht und – stand. Sofort begann ich ihr zu schmeicheln. Schön und stolz wie ein blühender Magnolienbaum sei sie, gelenkig wie eine junge Weide im Wind, anmutig wie eine Rose im Gewand des Morgentaus. Ich häufte Kompliment auf Kompliment, während ich La Belle Fontanon um die Hüfte Fasste und sie schließlich zwang, den ersten Tanzschritt zu machen.
Ein ganzes Orchester spiele für uns, rief ich begeistert.
»Madame, hören Sie doch! Noch klingt es wie aus weiter Ferne, aber schon unterscheiden Sie einzelne Instrumente, die nun einen Walzer anstimmen. Genießen Sie die Promenade, lauschen Sie auf den Rhythmus. Bitte geben Sie mir keinen Korb. Auf dass wir den Salon hier durchmessen und Sie dem Publikum zeigen: La Belle Fontanon ist wieder da!«
Die Spannung im Salon entlud sich in einem kehligen Bravo. So überwältigt war das Publikum, dass es zu trampeln begann und La Belle Fontanon hochleben ließ. Es gab nicht wenige Damen, die weinten, Madame Rousseau rang sogar die Hände. Es schien, als hätte ich nicht nur La belle Fontanon hypnotisiert, sondern auch einige Gäste. Sie reichten sich die Hände und ergingen sich in Walzerschritten. Comte de Carnoth näherte sich applaudierend, Tränen in den Augen, kopfschüttelnd, um Fassung bemüht.
Ich war so frei, ihm La Belle Fontanon in den Arm zu legen. Sie machte auch ein paar Tanzschritte, eine Drehung, doch schließlich begann sie in der Bewegung zu erstarren. Schnell nahm ich sie wieder in Empfang, schmeichelte und sprach ihr Mut zu. Jeder wollte hören, was ich sagte, sofort wurde es wieder still.
»Madame«, flüsterte ich lächelnd, »die Minuten vergingen wie im Flug. Sie müssen müde sein, nicht wahr?«
»Ja. Entsetzlich müde.«
»Dann schlafen Sie sich jetzt aus.«
La Belle Fontanon sackte in meinen Armen zusammen. Ich ließ sie sacht in den Rollstuhl gleiten. Unter tobendem Applaus wurde sie von der Bühne gerollt. Der Comte und ich folgten ihr, in der Zwischenzeit wurde wieder Champagner ausgeschenkt.
Später gestand mir der Comte, er sei nie ein Bewunderer von Magnetiseuren, Mesmeristen oder irgendwelcher anderer Suggestions-Magier gewesen. Vielmehr habe er in dieser Veranstaltung nur einen Probelauf gesehen, eine Art Vorschuß auf die eigenen Hoffnungen. Comte Maximilian Joseph de Carnoth hatte nämlich nur deswegen Kontakt zum Marquis de Puységur aufgenommen, weil die Bemühungen der klassischen Medizin um Hélène, seine Tochter, bislang vergeblich gewesen waren. Darum Kopernikus. Gelänge es ihm, so des Comtes Überlegungen, La Belle Fontanon wieder auf die Beine zu bringen, könnte dies auch auf Hélènes Fall übertragen werden:
»Ich schätzte es so ein: Wenn er diese gelähmte Kurtisane aus dem Rollstuhl holt, müßte er auch bei Hélène etwas bewirken können. Denn die sporadische Lähmungen, die sie seit ihrem Reitunfall quälten, häuften sich in beängstigendem Ausmaß. Letztlich hoffte ich also auf ein Wunder.«
Das entsprach der Wahrheit. Nur, Hélène hätte damals gar nicht geholfen werden können, weil sie sich zu diesem Zeitpunkt noch in den Händen der Carbonaria befand. Hélène war entführt worden – von langer Hand geplant und raffiniert in die Tat umgesetzt. Der Preis für ihre Freilassung bestand in einer exorbitanten Summe Lösegeld, die das Bankhaus Boissieu finanzierte. So war die scherzhafte Frage des Comtes, ob er noch Kredit habe, bitterernst und das Hissen des Pariser Stadtwappens mit dem hehren Wahlspruch tatsächlich ein trotziges Bekenntnis.
Bevor ich mich also Hélènes Lähmungen annehmen konnte, musste sie erst freigelassen und das Lösegeld wiedergefunden werden … und dann kam doch alles ganz anders.
Die Sensation war groß genug, dass ich mir weitere hypnotische Exempel ersparen konnte, obwohl sie natürlich sehnlichst gewünscht wurden. Ich entschuldigte mich mit den Anstrengungen der Konzentration, war dann aber doch so grausam, meine Concierge „vorzuführen“.
Man würde mir doch gar nicht mehr zuhören wollen, rief ich, wandte mich dabei aber Madame Rousseau zu, die ganz in der Nähe stand und sich mit einem Glas Champagner erfrischte.
»Nicht wahr, Madame? Sie sind diesem hier längst überdrüssig?«
»Was Sie wieder schwatzen! Unerhört!«
»Warum Sind Sie unhöflich, Madame?«
»Was Sie wieder schwatzen! Unerhört!«
Das grausame Frage- und Antwortspiel ging noch ein paar mal hin und her, bis die Concierge unter brüllendem Gelächter fluchtartig den Salon
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