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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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durfte mich wie Hans im Glück fühlen. Die Heilung La Belle Fontanons hatte mich über Nacht bekannt gemacht, trotzdem kam es mir nicht in den Sinn, Profit daraus zu schlagen. Anders gesagt, ich hatte die Lust verloren, in Charenton wie Herkules aufzutreten und Prior de Coulmier und Collard in Grund und Boden zu reden.
    Es kam sowie so anders.
    Als ich mich am Montag im Hospitz einfand, zitierte Chefarzt Collard mich unverzüglich zu sich. Nicht, dass er direkt eifersüchtig war, doch seine rationalistische und calvadosgeschwängerte Seele hätte nicht verkraftet, wenn ausgerechnet das Hospitz der Barmherzigen Brüder zur Pilgerstätte eines neuen Helden erklärt worden wäre.
    »Nichts für ungut, Petrus«, seufzte Collard. »Ich trinke nachher gerne auf Ihren Erfolg. Aber um es kurz zu machen, verschwinden Sie besser vorübergehend von hier.«
    Ich fügte mich widerspruchslos. Schließlich beließ Collard mir auch weiterhin das Gehalt. Er reichte mir die Hand, dann, als ich schon an der Tür war, winkte er mich zurück und holte stumm Gläser und Flasche aus dem Schrank.
    Fingerbreit nur schenkte er ein, zitterte. Ich las in seinen Augen die berühmten Sätze der Trinker: Ohne Calvados ist das Leben nicht mehr auszuhalten. Ach, der Calvados! Der Mensch ist böse, aber dies das Beste, was er geschaffen hat. Denn du kannst Calvados trinken, wenn du fröhlich und traurig bist, allein und in Gesellschaft. Er schmeckt im Sommer und wärmt im Winter. Morgens hilft er beim Aufstehen, abends macht er dich müde und unterstützt das Einschlafen.
    Nun, Prior de Coulmier trat ins Büro seines Chefarztes: Wo denn der frischgebackene Meisterhypnotiseur stecke, wollte er gutgelaunt wissen und trank freudig mit. Er habe es ja gleich gesagt, vor zwei Jahren, als er mich eingestellt habe: „Ein Elsässer ist immer sein Geld wert.“ Prior de Coulmier, ein feister, großer Mann mit Birnenschädel und Gesicht, auf dem alles irgendwie zu klein war, rieb sich die Hände und schaute hinter dem Vorhang stehend aus dem Fenster: Wunderbar, meinte er halblaut, Madame Turgot – Turgotsche Seiden-Manufaktur – sei endlich überzeugt, er sehe es an der Art, wie sie nicke.
    »Bruder Pierre hat ihr vorhin Monsieur de Warville vorgestellt, versteht ihr? Das hat gezündet. Jetzt weiß sie, dass ihr Mann einen Gefährten hat.« Zufrieden strich sich Prior de Coulmier über die Wangen und klärte uns wichtigtuerisch auf, dass die Messieurs Warville und Turgot gutmütige Größenwahnsinnige seien und damit „Pensionäre“ erster Kategorie: »Sie brauchen so gut wie keine Pflege. Wenn sie gelegentlich Publikum haben, ist alles in Ordnung. Ich darf Sie, Petrus, bitten, Madame Turgot nach Hause zu Ihrem Mann zu begleiten. Sie werden ihn ein bisschen anglotzen und dabei Ihr hypnotisches Süßholz raspeln. Dann kann Monsieur Turgot alias Molière schon heute abend Monsieur de Warville alias Jean Baptist Racine seine gräßlichen Verse vortragen.«
    Keine halbe Stunde später war die Flasche Calvados leer und Roger Collard so voller Selbstmitleid, dass er vor meinen Augen mit dem Messer spielte und sich dabei die Armbeuge verletzte. Dabei hatte er eigentlich einen Sieg errungen. Immerhin war es ihm nicht nur gelungen, den Prior zu besänftigen, sondern selbiger sah sogar ein, dass die Paarung Petrus und Charenton gegenwärtig nur mit der Triade Presse, Journalisten, Berichterstattung zu haben wäre. Was wiederum der Triade Prior, Barmherzige Brüder, Charenton geschadet hätte und damit letztendlich die erbauliche Paarung von Geld und Wir-wollen-doch-nur-unsere-Ruhe.
    Trotzdem, Roger Collard ahnte, dass Prior de Coulmier in der Zeit meiner Beurlaubung sehr wahrscheinlich eine häßliche Entscheidung fällen würde: eine Entscheidung, die nur darauf hinauslaufen konnte, ihm, dem Säufer, einen Fußtritt zu geben und mich, „den Elsässer“, zum Chefarzt zu machen.
    Dies sei doch einen Selbstmordversuch wert, oder? fragte er mich ganz ungeniert und überließ sich der Hoffnung, dass der Herr in seiner unendlichen Güte ein Einsehen mit ihm habe und irgend etwas passiere.
    »Am besten etwas ganz Furchtbares, Petrus.«
    Er tat mir wirklich leid, mein Chef.

5.
    Kaum war ich wieder in Paris, war es aus mit meiner Euphorie. Mit der geschenkten Zeit konnte ich nichts anfangen, stattdessen musste ich mich der unbequemen Frage stellen: Was eigentlich bedeutet dieser Erfolg für dich? Was hast du davon und was gedenkst du, damit anzufangen?
    Ich stellte mir

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