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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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seiner selbstgewissen Eitelkeit in sich zusammen.
    Ich nutzte seine Verwirrung. Anstelle Korpernikus auch nur die kleinste Aufmerksamkeit zu gönnen, erhob ich mich, trat auf die Bühne und begann sanft, auf La Belle Fontanon einzureden. Das Publikum war wie gebannt, Kopernikus vor Schreck wie gelähmt. Schließlich riss er sich zusammen und beschwor das Publikum, nicht zuzulassen, was soeben geschehe.
    »Er wird ihr schaden. Verantworten Sie es nicht!«
    Mein Auftritt aber versprach süßeren Honig, das Manna einer Sensation, nein, besser noch, eines Eklats. Diese Szene! Ich, ein fremder Mann in gewöhnlichem Gehrock, mit einer pendelnden Taschenuhr vor La Belle Fontanon. Und dann wie ich redete! Mein Ton, wie Comte de Carnoth mir später erzählte, sei weich wie ein Wiegenlied gewesen, gleichzeitig aber berauschend wie der erste Kuß. Atemberaubend. Ich fand Worte reiner Poesie, süß und bitter wie Schokolade, Worte, die einer hypnotischen Sternstunde würdig waren, aber auch mir nie wieder in ähnlicher Qualität gelangen.
    »Unser Leben, Madame, gleicht es nicht dem Herbst? Sehen Sie, wie die Blätter fallen, gleich unseren Jahren? Wie die Blumen verwelken, gleich unseren Stunden?«
    »Nein, Madame! Madame! Hören Sie nur auf mich!« Kopernikus fand endlich die Sprache wieder. Langsam und beherrscht streckte er die Hand mit dem Zauberstab aus und strich La Belle Fontanon über die Stirn. »Spüren Sie das Gute und kämpfen Sie gegen das Böse dieser Einflüsterungen. Lassen Sie nicht zu, dass man Ihnen häßliche Bilder zeigt. Werden Sie zornig! Heben Sie die Hand und zeigen Sie mir und dem Publikum, wie ernst es Ihnen ist.«
    Der groteske Kampf zweier Hypnotiseure dauerte keine Minute. Kopernikus konnte La Belle Fontanon mit seinem Zauberstab berühren, wo und wie er wollte, sie lauschte lieber mir.
    »So helfen Sie mir doch!«
    Unmutiges Zischen erhob sich. Kopernikus stand da wie vom Donner gerührt. Sein Cäsarengesicht wurde stumpf und grau. Mit einem Mal war er nur noch ein lächerlich gemachter Scharlatan. Der Mund seines Gönners, des Marquis de Puységur, wurde schmal wie die Schneide eines Fallbeils, und Comte de Carnoths blanker Kopf zitterte, als stießen Billardkugeln gegen seine Schädelwand.
    Was sich in den folgenden Minuten ereignete, war ein vollkommenes Beispiel für den Triumph von Geist und Willen über die Gebrechlichkeit der Maschine Mensch. Und noch während Kopernikus von der Bühne abtrat wie ein Statist, fand ich die Worte, die das Wunder vorbereiten halfen.
    »Die Wolken, ziehen sie nicht davon, wie unsere Illusionen? Und das Licht, Madame, lässt es nicht nach, wie unsere Erinnerungen? Auch die Sonne wird kälter. Aber mögen die Flüsse irgendwann gefrieren, unsere Liebe und unsere Hoffnungen wärmen uns und lassen uns auf den Frühling hoffen. Sie nun haben lange genug gehofft, Madame. Lassen Sie uns jetzt den Frühling erobern, den Frühling und sein frisches Grün! Durchstreifen Sie mit mir und dem Ihnen so gewogenen Publikum die Wiesen und lassen Sie uns gemeinsam Blumen pflücken und deren Duft genießen. Und dann Madame, werden wir beide beginnen, zu tanzen. Wir tanzen in den Mai, wir tanzen von dieser blühenden Bühne herab und durchtanzen den Salon unseres Comte de Carnoth mit einem beschwingten Walzer.«
    In die andächtige Stille mischten sich Seufzer der Rührung, bis das Unerhörte geschah: La Belle Fontanon bewegte erst das eine Bein, dann das andere. Kühn geworden, beschwor ich gewagte Bilder herauf, die in dem Wunsch gipfelten, La Belle Fontanon die Füße streicheln zu wollen. „Madame, ich erlaube mir, Ihre Beine zu berühren, die steif sind wie Holz, aber doch auch schön sind wie eine schlanke Zypresse und jetzt geschmeidig werden wollen wie Schilfrohr.“
    Madame begann zu keuchen, als ich mit der flachen Hand über ihre Beine strich, mich dann vor sie kniete und ihre Knie mit festem Griff umFasste. Sie begann zu wimmern, und Tränen quollen unter ihren geschlossenen Lidern hervor.
    »Und nun stehen Sie endlich auf! Denn wir wollen tanzen und müssen tanzen, weil Ihre Beine dies jetzt genauso begehren wie ich!«
    Von einer Sekunde auf die andere änderte ich das Timbre meiner Stimme, modulierte einen ungeduldigen Ton. Dabei Fasste ich La Belle Fontanon an den Händen und begann erst sanft, schließlich aber immer stärker zu ziehen. Sie schnaufte heftig und begann am ganzen Körper zu zittern. Plötzlich schrie sie erschrocken auf, so, als sei sie aus einem

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