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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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die grauen Nager in den Verschlag, kreischten ängstlich und schlugen hilflos mit den Schwänzen. Der Kiefer der Bulldogge klappte auf und zu, knackte ein Genick nach dem anderen. Obwohl sie bereits an Lefzen und Ohren blutete, empfand ich keinerlei Sympathie für sie. Ich war für die Ratten und wünschte mir, dass sie sich allesamt auf den Hund stürzten und ihn fertigmachten. Aber sie waren zu wenig. Kreischend jagten sie in die Ecken oder zum Stamm und versuchten daran hochzuklettern. Doch es gab kein Entrinnen. Zwei der Burschen hatten Reisigbesen, mit denen sie den Stamm immer wieder abkämmten.
    »Herrje! Ihr macht es dem Hund zu leicht. Kippt die letzten beiden Käfige auf einmal über ihm aus. Das wäre gerechter.«
    »In Ordnung.«
    Der Bursche klang so nüchtern, als sei ihm aufgetragen worden, einen Korb Gemüse zu holen. Er ging zum Karren und leerte die letzten beiden Käfige auf einmal in das Geviert. Der Comte warf mir einen anerkennenden Blick zu, nur, ich fühlte mich auf einmal gar nicht mehr wohl. Ausgerechnet ich drehte am Rad der Grausamkeiten. Was war los mit mir? Was hatte der Abbé mit mir gemacht? Wo war ich, der Mann mit dem weichen Herzen?
    Der kadaverübersäte Boden war glitschig, und der bittere Gestank des geronnenen Bluts widerwärtig. Knapp drei Dutzend Ratten rannten um ihr Leben, bis die größte plötzlich auf den Rücken der Bulldogge sprang und sich in deren Fell verbiß. Keine Sekunde später hing eine zweite am rechten Hinterlauf und eine dritte am Ohr. Die Bulldogge zerquetschte sie, indem sie ihren Kopf am Stamm scheuerte, doch in der Zwischenzeit hatte sich eine andere Ratte in die linke Lefze verbissen. Der Hund bäumte sich auf vor Schmerz, hieb seinen geifernden Kiefer auf den Boden und brach damit der Ratte das Rückgrat. Zitternd lag das Tier am Boden, die Füße von sich gestreckt. Mit dem Vorderlauf zerquetschte ihr die Bulldogge den Bauch, doch dann jaulte und winselte sie zum Gotterbarmen auf. Eine Ratte hatte ihr in die Hoden gebissen, und das war, als habe sie damit ein Signal für ihre Artgenossen gegeben, das hieß: Kämpft! Beisst! Zerreisst ihn! Statt sich auf den Baum zu retten, stürzten sich die Ratten jetzt auf den Hund und bissen zu, wo immer sie ein Stück Fell sahen. In ihrer Qual warf sich die Bulldogge auf den Rücken, die Augen weiß verdreht und am Bauch aus etlichen Wunden blutend. Zwei Ratten sprangen ihr an die Kehle, eine weitere verbiß sich in ihre Nase.
    »Jeromé! Zum Teufel! Willst du draufgehen?« rief einer der Burschen mit dem Reisigbesen. »Krepieren ist gegen die Ehre!«
    Ohne zu zögern, stieg er in das Geviert und erschlug mit seinem Besen die noch umherlaufenden Ratten. Fellfetzen in den Zähnen ereilte die Nager ihr Schicksal. Plötzlich war es fast ruhig. Röchelnd lag der Hund auf der Seite und begann nach einer Weile kläglich zu winseln.
    »War ein dummer Vorschlag, Monsieur. Mein Jeromé wäre fast draufgegangen.«
    »So?« fragte ich und zog versuchsweise meine Taschenuhr. »Schau auf die Uhr, mir in die Augen.«
    »Warum?«
    »Weisst du was Suggestion ist?«
    »Nee.«
    Ich schaute kurz in die Runde, lächelte. Neugierig rückten die Kerle dicht an mich und den Comte heran, während ihr Freund auf die pendelnde Taschenuhr starrte.
    »Wie heisst du?«
    »Aristide.«
    »Ein edler Name. Aristide, hör mir zu. Ich werde dir und deinen Freunden jetzt zeigen, was Suggestion ist. Einverstanden?«
    »Ja.«
    »Dir passiert nichts. Schließlich bewachen uns deine Freunde.«
    »Aha.«
    Ich blickte Aristide scharf an und steckte nach ein paar Sekunden meine Taschenuhr wieder ein. Er war ein hochsuggestibler Typ mit kräftig flatternden Augenlidern.
    »Es ist gar nicht mehr so kalt, Aristide, nicht wahr? Wenn du ehrlich zu dir selbst bist, hast du richtig warme Hände und Füße – was du mit geschlossenen Augen viel besser spürst, stimmt´s?
    »Ja.«
    »Dann muss es Sommer sein. Die Linden sind grün, und das Wasser duftet schön frisch. Riechst du das auch?«
    Schritt für Schritt versetzte ich Aristide in tiefe Trance. Bis auf das Winseln Jeromés war es still. Weder der Comte noch einer der Burschen rührten sich von der Stelle. Gebannt verfolgten sie, wie ich Aristide an der Hand Fasste und mit ihm in das Geviert stieg. Auf mein Geheiß nahm Aristide seinen Hund auf die Arme und trug ihn bis zur nächsten Linde. Dort legte er ihn ab und fiel, weil ich es so wollte, neben ihm auf die Knie.
    »Aristide, schau dir mal die Wunden von

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