Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)
freundlich und bat uns, Platz zu nehmen. »Dass Sie es jetzt kennenlernen, scheint auf einen Zufall zurückzuführen zu sein. Dennoch säßen Sie jetzt nicht hier, wenn Monsieur le Comte es nicht wünschte. Ich darf also offen reden.«
»Ja. Ich habe Monsieur Petrus bereits angedeutet, möglicherweise auf seine Hilfe angewiesen zu sein. Aber jetzt bitte, Monsieur Roland, spannen Sie mich nicht weiter auf die Folter. Wie ist der letzte Stand der Dinge?«
»Hélène ist frei und wohlauf.«
»Ich preise Sie und den Herrn.«
Comte de Carnoth sprach leise, fast unbewegt. Seine Augen aber begannen verdächtig zu schillern. Doch so sehr er um Fassung rang, die erlösende Botschaft war zu groß, als dass er die Tränen länger zurückhalten konnte. Sie fegten alles Eitle und Exzentrische seines Wesens hinweg. Wie jeder andere Vater, dem die Polizei sagen konnte: Wir haben sie, du bekommst deine Tochter wieder zurück, schneuzte er sich geräuschvoll in sein Taschentuch.
Statt sich selbstgefällig nach hinten zu lehnen, strich sich Daniel Roland über sein markantes Kinn, wie es wohl einst auch Voltaire getan hatte. Allein seine müden Augen belebten sich für einen kurzen Moment, wobei auch etliche seiner zahlreichen Runzeln verblaßten. Dennoch schien mir, als sei er nicht zufrieden, was ihn nicht davon abhielt, die gute Nachricht erst einmal mit einem Glas Cognac zu feiern: »Man sollte das Glas heben, wenn es einen Grund dazu gibt. Also: Auf Hélène, Comtesse de Carnoth! Zweihundertsiebenundachtzig Tage Entführung sind zu Ende.«
»Sie wirken ein wenig ... wie soll ich sagen ... desillusioniert, Monsieur Roland ... «
»Hören Sie, Graf: Ihre Tochter wurde in der Champagne, in Épernay, auf freien Fuß gesetzt. Morgens in der Frühe um halb vier. Man warf sie, was Sie jetzt bitte nicht wörtlich nehmen dürfen, aus einer Kutsche: geknebelt und mit gefesselten Händen. Laut ihrer Aussage war es zum Glück das einzige Mal, dass derart roh mit ihr umgesprungen wurde. Demzufolge …«
» … wissen Sie noch lange nicht, wer die Entführer sind und wo sie Hélène gefangen hielten. Woraus zwingend folgt, dass auch über den Verbleib meiner Lösegelder nichts bekannt ist. Ich verstehe.«
»Sie belieben, sich selbst die richtige Antwort zu geben, Graf. Und ich habe ihr sachlich nichts hinzuzufügen, außer Ihnen zu versichern, dass wir nicht eher ruhen, als bis das Verbrechen vollständig aufgeklärt ist und die Entführer mir Rede und Anwort stehen.«
»Selbstverständlich.«
Comte de Carnoth nippte am Cognac, der ihm jetzt sichtlich weniger behagte, was mich keinesfalls verwunderte, denn was Daniel Roland uns da eingeschenkt hatte, schmeckte wie mit Wasser gestreckt und einer Pfefferschote nachgewürzt. Entsprechend verzog der Comte den Mund.
»Ich kann Ihre Enttäuschung gut verstehen, Graf«, warb Daniel Roland um Nachsicht. »Nach wie vor bin ich aber zuversichtlich, auch das Lösegeld oder zumindest den größten Teil davon aufzufinden. Sehen wir es positiv: Es hat seinen Zweck erfüllt, Hélène ist frei. Voraussichtlich noch heute abend werden Sie sie in die Arme schließen können.«
»Schon gut. Nur wenn die Million nicht gefunden wird, bin ich bankrott!«
»Ein fürchterliches Wort.«
»Fürchterlich ist Ihr Cognac, Monsieur Roland. Tut mir leid, Ihnen das ausgerechnet jetzt sagen zu müssen. Natürlich sind Sie viel zu beschäftigt, um sich um Cognac zu kümmern. Andernteils kann ich nicht nachvollziehen, dass der französische Staat einem Mann Ihrer Position derartige Nachlässigkeiten zumutet.«
Ich hätte mir am liebsten auf die Schenkel geklopft. Ein so gut wie bankrotter Comte warf einem der höchsten Diener der Justiz vor, miserablen Cognac zu servieren. Wenn etwas grotesk war und von aristokratischem Überlegenheitsdünkel kündete, dann eine solche Replik. Aber der Untersuchungsrichter wusste sich zu verteidigen – wozu ihm ein einziger, ätzend scharfer Satz genügte:
»Machen Sie also eine Eingabe ans Justiz-Ministerium, zu Händen Ihres illustren Standesgenossen Graf Peyronnet. «
Daniel Roland streckte dem Comte die Hand über den Schreibtisch hin, eine Geste, die so eindeutig wie schroff war. Entsprechend war sein Gesichtsausdruck: Die Runzeln des kleinen Mannes waren gespannt wie Bogensehnen, sein Kinn hart wie die Spitze eines Hammers.
Monsieur le Comte indes lachte.
»Was bin ich doch für ein Prachtexemplar aristokratischer Arroganz, Monsieur Roland! Verzeihen Sie mir. Aber
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