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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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um alles in der Welt seine Fehler seien, dass er so gedemütigt werde. »Du bist auf und davon wie eine, die einen Fußtritt bekommen hat. Warum tust du mir das an? Mir nichts dir nichts hast du dich aus dem Staub gemacht, als ob es in Ludwigs Wohnung auf einmal spukt. Welch Demütigung! Wie ein Hahnrei muss ich geglotzt haben, als das Mädchen sagte, du wolltest hier irgendwo im Viertel Unterkunft nehmen! Mein einzige Trost ist, dass auch deinem Onkel diese Überraschung nicht erspart bleiben wird.«
    »Aber Baron Philippe! Du ereiferst dich wie Pantalone in einer Stegreifkomödie. Tu nicht so, als sei Marie-Thérèse dein unmündiges Töchterchen, das nichts kann, außer genial Klavier zu spielen. Sie ist weder dir noch einem gewissen Onkel Abbé rechenschaftspflichtig.«
    Ich paßte die Mimik meinem spöttischen Ton an, verhehlte also nicht, dass ich schadenfroh war wie ein Rumpelstilzchen. Aber da Marie-Thérèse anwesend war, so mein Kalkül, würde sich Philippe beherrschen müssen.
    Ich täuschte mich. Philippe brachten meine Worte so sehr auf, dass er sich vor mir zu wüten begann: Er habe es immer gewußt, einer, der wie ich der Sohn eines im Wald umherschleichenden Försters sei, könne nur intrigant sein. Folgerichtig habe es ein solcher jemand auch nur zu einem abgehalfterten Psychiater bringen können, zu einem Subjekt, dessen Gedanken ebenso wirr seien wie seine Blicke starr. Waren diese Beschimpfungen nur komisch zu nennen, verlor ich vollends den Respekt, als Philippe mich am Revers packte und anbrüllte, er fürchte sich nicht vor meinem suggestiven Zinnober und werde darum alles tun, Marie-Thérèse aus meinen Fängen zu befreien:
    »Und die falschen Versprechungen, die du ihr gemacht hast - ich schwöre dir, ich werde ihr alles wieder ausreden! Und wenn du querschießt, du Natter, dann bist du die längste Zeit durch Paris Straßen gekrochen.«
    »Da weiß ich ja jetzt, woran ich bin, Philippe. Vielen Dank, du befreist mich von großer Furcht. Wer sich so aufregt, kann keinen Mord begangen haben. Schließlich muss ein Mörder kaltblütig sein! Du aber echauffierst dich wie ... mir fällt gar kein Vergleich ein, Philippe. Trotzdem, ich verstehe schon: Du drohst mir siebzehnmaliges Erstechen an, um beim achtzehnten Mal die Pistole zu nehmen.«
    Die Strafe für derartig hochmütige Tiraden erfolgte prompt - und zwar mittels einer überaus kräftigen Ohrfeige. Allerdings teilte sie Marie-Thérèse aus und nicht Philippe.
    »Ich ertrag es nicht mehr, Petrus, wie du dich hier aufspielst! Aber du, Philippe, bist kaum besser! Lächerliche Hänflinge sei ihr, die Ludwig nicht das Wasser reichen können! Er baute auf, aber ihr? Der eine zelebriert irgendwelche schweren seelischen Verwundungen, führt aber jetzt das große Wort, und der andere gibt das Geld seines Bruders aus und gebärdet sich wie ein irrer Hahn.«
    Mein selbstgerechter Überschwang verpuffte wie ein Häufchen Schießpulver, aber auch Philippe wirkte mit einemmal wie ein verprügelter Bursche aus der Provinz: Er zog den Kopf zwischen die Schultern, verkniff den Mund und schaute auf seine Schuhspitzen. Beide hatten wir verloren. Philippe nutzte sein Adelsprädikat genauso wenig wie mir meine Gewißheit, Marie-Thérèse vor ein paar Stunden in paradiesischer Nacktheit gesehen, umarmt und geküßt zu haben. Ist eben doch alles nur Spiel, dachte ich resigniert: Küsse und Zutraulichkeit sind nichts als Künstlerrequisiten. Ehrlich ist diese Frau indes nur, wenn sie ohrfeigt.
    Ich versuchte mir vorzustellen, was Philippe fühlte. Ob er darunter litt, wieder gegen seinen Zwillingsbruder, den Zweitgeborenen, verloren zu haben? Von der Körperkraft einmal abgesehen, galt Ludwig stets als der Tüchtigere von beiden. Der dicke Albert hatte mir einmal gestanden, Ludwig sei geistig wendiger und im Umgang mit dem Gutspersonal träfe er leichter den richtigen Ton. Womit er auf natürliche Weise charmanter wirke als Philippe und darum später bei den Frauen auch mehr Erfolg haben würde. Wie es aussah, hatte der Gutsverwalter recht behalten. Im Werben um Marie-Thérèse schien Ludwig sogar noch über den Tod hinaus das Rennen gegen seinen Bruder gewonnen zu haben. Wie sonst sollte Philippe ihre Worte auslegen? Waren sie nicht wie ein Geständnis? Das Geständnis, dass Ludwig sie längst gehabt hatte und sie seinen Umarmungen jetzt hinterher trauerte?
    Ohne irgendwelchen Ereignissen vorzugreifen darf ich an dieser Stelle verraten, dass ich mich irrte. Was

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