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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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und sind gehorsam um Jesu willen. Aber wir leiden auch um Jesu willen und sind seinetwegen arm. Er ist das Vorbild aller Vorbilder und so erleben wir alle Freuden und Leiden im Nachfühlen seines durchbohrten Herzens.“ Mit derartigen spirituellen Verschrobenheiten ließ sich jedoch leben. Wenn man Oberin Barat brav zuhörte und dann und wann mit verzücktem Antlitz fragte, ob das Herz Jesu einen auch wirklich bis ans Ende aller Tage nähre, dann war einem ihre Sympathie sicher.
    Sie jedenfalls hatte dafür gesorgt, dass ich Klavierunterricht bekam. Bevor sie 1804 nach Grenoble reiste, verpflichtete sie den ehemaligen Organisten des jesuitischen Collegiums von Saint Acheul, mir zweimal die Woche Klavierstunden zu geben – womit die Zeit der seelischen Prüfungen begann: Die Fraktion der Zöglinge Mère Barats stand nämlich gegen die Mère Baudemonts, die während der Abwesenheit der Generaloberin das Pensionat leitete. Die einen Hassten die anderen, und wer sich nicht bedingungslos für eine Fraktion entschied, wurde sofort zur Feindin erklärt. Da ich aufgrund der musikalischen Förderung zur Barat-Fraktion zählte, machte mir die Baudemont-Fraktion, die im Laufe der Jahre stetig zunahm, das Leben schwer. Wie oft hatte man mir den Fuß gestellt oder sich, während ich übte, an mich herangeschlichen und plötzlich den Klavierdeckel zugeschlagen! Wie häufig mich gestoßen, mir Bücher und Schreibzeug versteckt und meine Kleidung mit Kreidestaub gepudert. Vordergründig waren meine Mitschülerinnen natürlich freundlich zu ihrem armen blinden „Klavier-Olm“. Ich habe ihre süßlichen Stimmen noch heute im Ohr! Ihre Entrüstung, wenn einem wieder ein „Leid geschehen war“! Widerlich! Zum Beispiel diese gezuckerte Bosheit, wenn irgendwer etwas angeblich Verlegtes für mich wiederfand! Tagelang behandelte man mich, als wäre ich geistesschwach, dann wieder ließ man mich in geheuchelter Freundschaft an den eigenen Kümmernissen teilhaben und erbat sich den Rat der „weisen Muse“.
    Erträglich waren all diese Schikanen, weil ich wusste, dass sie von der Mère-Baudemont-Fraktion ausgeheckt wurden. Schlimmer wurde es in den späteren Jahren, als die mittlerweile bigott gewordene alte Mère-Barat-Fraktion mich mit ihren bizarren Herz-Jesu-Exaltationen zu quälen begann. Gegenseitig schlugen sie sich an den Marien-Festen mit dem Rücken des Gebetbuches auf die Fingernägel. Wenn eine von uns in dieser Zeit ihren Zyklus hatte, wurde mit einer Spindel in die Fingerkuppen gestochen und das Blut auf die Brust einer kleinen Christusstatute gerieben. Eine dieser „Herz-Jesu-Freundinnen“ geriet dabei so in Verzückung, dass sie sich nachts in die Kapelle schlich und auf dem Teppich des Altars mit der Figur entjungferte. Man fand sie in der Frühe ohnmächtig in ihrem Blut. Als sie wieder zu sich kam, war sie geistig vollkommen verwirrt: Zwei Tage später verkrampfte sich ihr Kiefer, auch ihr Leib wurde starr. Ihr bleiches Taubengesicht schmückte sich mit einem schiefen Dauerlächeln, zusehends fiel ihr auch das Atmen schwer. Nach immer heftigeren Erstickungsanfällen starb sie nach acht grauenhaften Tagen. Die Strafe für uns „blutrünstige Baratianer“ war, dass Mère Baudemont uns auferlegte, drei Tage lang Dornenzweige unter der straff bandagierten Brust zu tragen.
    Sollte ich Petrus das alles erzählen?
    Nein, er würde es nicht gelten lassen wollen. Sein egoistisches, weiches Herz würde sein Leiden gegen meines aufrechnen. Strahlte er nicht schon wieder die Düsternis eines Verbannten aus? Ich konzentierte mich auf sein Gesicht, „sah“, wie er den Mund verzog, als sei er aller Delikatessen plötzlich überdrüssig. Welche finsteren Bilder beschäftigten ihn? Welche Worte meines Onkels trieben ihn um?
    »Was ist mit dir?« fragte ich. »Du grübelst so heftig, dass ich es geradezu hören kann.«
    »Falsch. Ich bin einfach nur satt. Wenn Trüffeln und Entenleberpastete nach Metall schmecken und der Champagner sich auf dem Gaumen in sauer-blasse Limonade verwandelt, ist man satt.«
    »Ich glaube, ich kann folgen. Männer verlangen jetzt nach ganz bestimmten Desserts, nicht wahr?«
    Marie-Thérèses Ton ließ nur einen Schluß zu: Ich hätte ein solches Dessert nicht bekommen. Stattdessen durfte ich mich mit Philippe auseinandersetzen, der wütend an die Tür klopfte.
    Er war außer sich. Mit der Attitüde des verschmähten Liebhabers drängte er ins Zimmer, breitete die Arme aus und fragte weinerlich, was

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