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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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nicht. War ich nicht ständig ein Flüchtender? Ganz konkret, aber auch vor oder in der Welt meines Trumeaus? War dieses Sich-nicht-stellen-und-bekennen-können nicht der eigentliche Grund, weshalb ich bislang aus meiner Gabe kein Kapital hatte schlagen können? Weshalb ich die Frau, die ich liebte, fahrlässig preisgegeben hatte?
    »Graf, Sie sind großartig«, sagte ich leise, aber deutlich.
    Überrascht wandte sich der Comte um. Eingehend musterte er mich, der ich mich, als sei ich mein eigener Götze, konzentriert vor seiner Spiegelwand studierte. Er konnte nicht wissen, welch große Bedeutung seine Worte für mich hatten, sondern nur zusehen, wie meine Miene zusehends ernüchterte. Ich schlug vor mir selbst die Augen zu Boden, senkte den Kopf und schaute eine lange Weile blicklos auf meine Stiefel. Als ich wieder aufsah, glänzten meine Augen, und um meinen Mund lag das traurige Lächeln des für immer Gescheiterten.
    »Restituieren wir uns besser«, sagte der Comte in die Stille. »Ich schicke Ihnen frische Garderobe aufs Zimmer. Auch wenn Hélène keine Helena ist, gepflegte Melancholiker sind ihr lieber als ungepflegte.«
    Nachdem ich mich erfrischt und neu eingekleidet hatte, ließ ich mir den Obstsalat schmecken, den der Comte mir hatte aufs Zimmer bringen lassen. So wie es die Raffinesse des Comte erspürt haben mochte, linderte das kühle Obst meine Erschütterung und beförderte eine gewisse Selbstbeschau. Während ich den fruchtigen Aromen nachschmeckte, gab ich dem Compte im stillen recht: Ein wirklicher Ehren-Mann muss den Notwendigkeiten der Dinge ins Auge sehen und den Kampf mit dem Unvermeidlichen aufnehmen. Und dazu gehörte zu allererst das eigene Ich. Petrus, sagte ich zu mir, der du der elsässischen Provinz entstammt, du bist bislang erfolgreich vor der Wahrheit davongelaufen, als wolltest du nie wieder in deine Heimat zurückkehren. Angeblich hast du ein zu weiches Herz, das du in den Dienst deiner Mitmenschen stellst. Du hilfst ihnen mit deiner besonderen Gabe, ihren Weg zur Wahrheit zu finden, damit ihre Nöte und Kümmernisse wie Bleiklumpen unter dem Feuerstrahl schmelzen. Sie alle profitierten von deinem Herzen, das für dich selbst eine Wunde ist, für deren Heilung du noch nichts getan hast.
    Darin bestand der Widerspruch meines Lebens. Wurde es nicht langsam Zeit, dagegen anzukämpfen?
    Ich dünkte mich psychologisch unanfechtbar, selbst jedoch hatte ich meinen Hass auf den Abbé solange kultiviert, dass ich beinahe zum Mörder geworden wäre. Marie-Thérèse hatte es richtig gesagt: Jahrelang hatte ich auf die Splitter in den Augen des Abbés gestarrt, selbst aber war ich zu feige, mir die eigenen Splitter aus den Augen zu ziehen. Das erste Mal hatte jetzt einen wirklich hohen Preis zu zahlen: den Verlust der Zuneigung Marie-Thérèses. Wollte ich sie jemals wiedergewinnen, musste ich noch einmal durch den Trumeau gehen und ungeachtet meiner Angst in den Abgrund der eigenen Unzulänglichkeit springen. Mir stand das Abenteuer bevor, mich selbst aufzugeben, um mich endlich der Wahrheit zu stellen.
    Daniel Rolands Weste zierte die Diamantnadel, die mir schon am Abend von La Belle Fontanons Wiederauferstehung aufgefallen war. Im Gegensatz zu damals waren Rock und Hose nun jedoch glatt gebügelt und auch sein Gesicht zeigte deutlich weniger Runzeln. Verhalten freundlich begrüßte er mich und stellte mir Polizeikommissar Albert Joffe vor, einen Hünen, der mich an Monsieur Bonet erinnerte. Albert Joffe, erfuhr ich, widme sich jetzt mit aller Kraft der Aufklärung des Mordfalles Ludwig Oberkirch, leider aber gebe es bislang nicht die geringsten Anhaltspunkte, wer den Baron auf dem Gewissen habe.
    »Hören Sie es, Monsieur Petrus? Nicht die geringsten Anhaltspunkte. Das ist der immer gleiche Jargon der Bürokratie und ihres Versagens.«
    »Wie anständig von Ihnen, Graf, dass Sie nicht Versager gesagt haben«, sagte Daniel Roland. »Immerhin ist es Monsieur Joffe mit der schrittweisen Übergabe des Lösegeldes gelungen, die aushäusigen Lebensbedingungen Ihrer Tochter erträglich zu gestalten.«
    »Ja – Hélène und ihre süßen Lebensbedingungen …«
    Statt sich an einer weiteren spitzen Bemerkung zu versuchen, verzog der Comte den Mund. Ich war nicht minder irritiert wie Daniel Roland und Albert Joffe: Auch wenn Hélène, wie ich mittlerweile anzunehmen bereit war, ein erkleckliches Maß unter den Schönheitsstandards liegen mochte – ich fand es reichlich ungewöhnlich, dass ein

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