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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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lebt.«
    »Das sind gute Neuigkeiten«, sagt Shulman gedämpft.
    »Verdammt«, flüstert sie, dreht sich um und streicht sich mit zitternder Hand die Tränen aus dem Gesicht.
    Shulman berührt zärtlich ihre Haare. Sie entzieht sich seiner Berührung, ohne zu wissen warum. Im Grunde will sie, dass er weitermacht. Seine Hand fällt herab. Sie sehen sich an. Er trägt seinen schwarzen weichen Anzug, auf dem Jackettkragen liegt eine Kapuze.
    »Du hast deine Ninjakluft an«, sagt sie und verzieht unfreiwillig den Mund.
    »Shinobi, das richtige Wort für Ninja, hat zwei Bedeutungen«, erwidert er. »Es bedeutet ›verborgene Person‹, aber auch ›einer, der erduldet‹.«
    »Erduldet?«
    »Die vielleicht schwerste Kunst, die es gibt.«
    »Alleine geht das nicht, jedenfalls bei mir nicht.«
    »Niemand ist allein.«
    »Ich ertrage das nicht«, flüstert Simone. »Ich gehe langsam kaputt, muss aufhören zu grübeln, kann nirgendwohin. Ich denke und denke immer nur. Wenn doch nur etwas passieren würde, ich könnte mir selbst gegen den Kopf schlagen oder mit dir ins Bett gehen, nur um diese Panik in mir abzuschütteln …«
    Sie verstummt abrupt.
    »Das …«, versucht sie zu sagen. »Das klang jetzt völlig … Entschuldige bitte, Sim.«
    »Und wofür entscheidest du dich? Mit mir ins Bett zu gehen oder dich zu schlagen?«, fragt er lächelnd.
    »Keins von beiden«, beeilt sie sich zu antworten.
    Dann wird ihr bewusst, wie das geklungen haben muss, und sie versucht es abzumildern:
    »Ich meine nicht, ich würde gerne …«
    Sie verstummt erneut und spürt ihr Herz schneller pochen.
    »Was denn?«, fragt er.
    Sie sieht ihm in die Augen.
    »Ich bin im Moment nicht ich selbst. Deshalb benehme ich mich so«, sagt sie nur. »Ich komme mir schrecklich dumm vor, das kannst du mir glauben.«
    Sie senkt den Blick, merkt, dass ihr Gesicht rot anläuft, und räuspert sich leise:
    »Ich muss …«
    »Warte«, sagt er und holt ein durchsichtiges Glasgefäß aus seiner Tasche.
    Insekten, die wie dicke dunkle Schmetterlinge aussehen, krabbeln darin. Es klappert in dem Glas, das beschlagen zu sein scheint.
    »Sim?«
    »Ich wollte dir nur etwas Fantastisches zeigen.«
    Er hält das Glasgefäß vor ihr hoch. Sie betrachtet die braunen Körper, das Pulver ihrer Flügel, das an den Glaswänden haftet, die Überreste der Puppen. Die Schmetterlinge pressen ihre hufartigen Beine gegen das Glas, ihre Rüssel fahren fieberhaft über die Flügel und Fühler der anderen.
    »Als Kind fand ich sie immer schön«, sagt sie. »Aber das war, bevor ich sie wirklich gesehen habe.«
    »Sie sind nicht schön, sie sind grausam«, lächelt Shulman und wird ernst. »Ich glaube, es liegt an der Metamorphose.«
    Sie berührt das Glas und streift dabei seine Hände.
    »Der Grund für die Grausamkeit ist die Verwandlung?«
    »Vielleicht«, antwortet er.
    Sie mustern einander und sind nicht mehr auf das Gespräch konzentriert.
    »Katastrophen verändern uns«, sagt sie zögernd.
    Er streichelt ihre Hände.
    »So muss es sein.«
    »Aber ich will nicht grausam werden«, flüstert sie.
    Sie stehen ganz eng zusammen. Shulman stellt das Glas vorsichtig auf den Tisch.
    »Du …«, sagt er, lehnt sich vor und küsst sie, nur ganz kurz, auf den Mund.
    Sie hat weiche Knie. Seine samtige Stimme und die Wärme seines Körpers. Der Geruch des weichen Jacketts, ein Hauch von Schlaf und Bettlaken, von feinen Kräutern. Als seine Hand über ihre Wange und um ihren Hals streicht, hat sie das Gefühl, die wunderbare Samtigkeit einer Liebkosung völlig vergessen zu haben. Shulman sieht sie mit lächelnden Augen an. Sie denkt nicht mehr daran, aus der Galerie fortzulaufen. Sie weiß, dass es vielleicht nur ein Weg ist, für einen kurzen Moment die Angst zu verdrängen, die in ihrer Brust hämmert, aber dann ist es eben so, sagt sie sich. Sie will nur, dass dies noch etwas weitergeht, sie will nur das Schreckliche vergessen dürfen. Seine Lippen nähern sich ihren, und diesmal erwidert sie seinen Kuss. Ihr Atem geht immer schneller, und sie spürt seine Hände auf ihrem Rücken, im Kreuz, auf den Hüften. Die Gefühle schlagen über ihr zusammen, in ihrem Schoß brennt es: eine plötzliche und blinde Sehnsucht, ihn in sich aufzunehmen. Sie bekommt Angst vor der Stärke ihres Triebs, weicht zurück und hofft, dass er nicht sieht, wie erregt sie ist. Sie streicht sich über den Mund und räuspert sich, während er sich abwendet und hastig seine Kleidung zu ordnen

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